31.07.2008 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Überprüfung einer Ermessensentscheidung

Allgemeine Ausführungen


Schlagworte: Sozialrecht, Ermessen
Gesetze:

Art 130 Abs 2 B-VG

GZ 10 Ob S45/08b, 27.05.2008

OGH: Es ist im vorliegenden Verfahren nicht strittig, dass es sich bei der Erhöhung einer Versehrtenrente iSd § 205 Abs 3 ASVG um eine "freiwillige" Leistung (ohne individuellen Rechtsanspruch des Versicherten) handelt, bei der nach der jüngeren Rechtsprechung des OGH gegen eine Ermessensentscheidung des Sozialversicherungsträgers beim Arbeits- und Sozialgericht Klage wegen gesetzwidriger Ermessensübung erhoben werden kann. Denn auch eine verwaltungsbehördliche Ermessensübung hat sich nach dem Konzept des österreichischen Bundesverfassungsrechts (Art 130 Abs 2 B-VG) am "Sinn des Gesetzes", das Ermessen einräumt, auszurichten. Der Einzelne hat demnach ein Recht auf fehlerfreien Gebrauch des Ermessens im Sinne des Gesetzes. Diese Ermessensentscheidung ist allerdings nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts entsprechend dem Prüfungsmaßstab des Art 130 Abs 2 B-VG ausschließlich darauf zu prüfen, ob vom eingeräumten Ermessen innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht wurde oder ob dies - in Form einer Ermessensüberschreitung oder eines Ermessensmissbrauchs - nicht der Fall gewesen ist. Nach herrschender Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts muss bei der Beurteilung des "Gesetzessinnes" stets auch der Gleichheitsgrundsatz des Art 7 B-VG und des Art 2 StGG beachtet werden. Das Wesen einer Ermessensentscheidung ist es, dass ihr Inhalt gesetzlich nicht vorausbestimmt ist, mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zulässt und alle diese möglichen Entscheidungen gesetzmäßig sind. Wie der OGH bereits ausgesprochen hat, können bei der Überprüfung der Ermessensübung durch den Sozialversicherungsträger neben dem Bedarf des Antragstellers nach der begehrten Leistung, ua auch die finanzielle Lage des Versicherten, die finanzielle Lage des Sozialversicherungsträgers sowie die ständige Praxis gegenüber anderen Versicherten sachliche Kriterien sein. Hervorragende Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang auch dem aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden Sachlichkeitsgebot zu. Der Versicherte hat den Anspruch, dass bei der Entscheidung über seinen Antrag auf Gewährung der Leistung keine unsachlichen Momente eine Rolle spielen. Der Hinweis auf eine bisher geübte Ermessenspraxis in vergleichbaren Fällen reicht in der Regel für sich allein nicht aus, um eine Ermessensentscheidung zu tragen, zumal eine gesetzwidrige oder unzureichend begründete Ermessenspraxis keine Richtschnur für spätere Ermessensentscheidungen zu bilden geeignet wäre.