21.08.2008 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur sexuellen Belästigung im vorvertraglichen Stadium

Die sexuelle Belästigung durch vertretungsbefugte Organe ist der juristischen Person als Arbeitgeber zuzurechnen


Schlagworte: Gleichbehandlung, sexuelle Belästigung, Fürsorgepflicht, Schadenersatz
Gesetze:

§ 6 Abs 1 Z 1 GlBG, § 12 Abs 11 GlBG

GZ 9 ObA 18/08z, 05.06.2008

Der Anspruch der Klägerin richtet sich auf Schadenersatz wegen sexueller Belästigung durch den Geschäftsführer der beklagten GmbH iZm einem in Aussicht gestellten Arbeitsverhältnis als stellvertretende Filialleiterin. Die Vorfälle ereigneten sich noch vor Abschluss des Arbeitsvertrages, wobei zu diesem Zeitpunkt bereits Arbeitsleistungen erbracht wurden. Nur wenige Tage nachdem der Vertrag unterzeichnet war, löste der Geschäftsführer das Arbeitsverhältnis während der Probezeit wieder auf, da die Klägerin ihre Arbeitsleistung verweigert habe. Darüber hinaus könne keine sexuelle Belästigung vorgelegen haben, weil das Arbeitsverhältnis noch gar nicht begonnen habe.

OGH: Der Schutz vor sexueller Belästigung umfasst das gesamte Arbeitsverhältnis und stellt nicht auf dessen Beginn ab, sondern besteht auch schon im Vorvertragsstadium, um das Ziel der Richtlinie 2002/73/EG, die gesamte Arbeitswelt diskriminierungsfrei zu stellen, zu erreichen. Dem entspricht, dass auch im vorvertraglichen Schuldverhältnis eine Haftung besteht. Die sexuelle Belästigung stellt eine Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Arbeitgeber dar. Wird eine solche durch den Geschäftsführer begangen, ist dessen Verhalten als vertretungsbefugtes Organ der juristischen Person als Arbeitgeber unmittelbar zuzurechnen. Die Entscheidung über die Höhe des zustehenden Schadenersatzes stellt eine solche des Einzelfalles dar und richtet sich nach Dauer der Diskriminierung und Erheblichkeit der Beeinträchtigung.