11.12.2008 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Austritt iZm (teilweisem) Vorenthalten der Bezüge / des Entgelts

Die Geringfügigkeit des vorenthaltenen Betrags steht der Verwirklichung des Austrittsgrundes dann nicht entgegen, wenn die Vertragsverletzung über längere Zeit andauert und der Arbeitgeber die Nachzahlung des aushaftenden Betrags nicht einmal in Aussicht stellt


Schlagworte: Austritt, Vorenthalten der Bezüge / des Entgelts
Gesetze:

§ 26 AngG, § 82a GewO

GZ 9 ObA 37/08v, 08.10.2008

Der Kläger bringt vor, berechtigt ausgetreten zu sein. Die Beklagte habe ihm die ihm aufgrund seiner Tätigkeit auf der Baustelle R***** zustehenden Zulagen sowie den Vorarbeiterzuschlag nicht gezahlt.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger sei unberechtigt ausgetreten. Die geltend gemachten Zulagen und der Vorarbeiterzuschlag stünden ihm nicht zu.

OGH: Nach § 82a lit d GewO ist der Arbeiter ua dann zum Austritt berechtigt, wenn der Arbeitgeber ihm die bedungenen Bezüge ungebührlich vorenthält. Dieser Tatbestand deckt sich weitestgehend mit der Regelung des Austrittsrechts des Angestellten in § 26 Z 2 AngG. Er erfasst daher sowohl die Schmälerung als auch das (gänzliche oder teilweise) Vorenthalten des Entgelts. Der Tatbestand ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber wusste oder infolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht hätte wissen müssen, dass seine Vorgangsweise unrechtmäßig ist. Durch eine bloß objektive Rechtswidrigkeit, die insbesondere dann vorliegt, wenn über das Bestehen eines Anspruchs verschiedene Rechtsmeinungen vertreten werden können und daher der Ausgang eines hierüber zu führenden Rechtsstreits nicht absehbar ist, wird der Tatbestand nicht erfüllt. Allerdings berechtigt nicht jede, sondern nur eine wesentliche Verletzung des Entgeltanspruchs zum vorzeitigen Austritt. So ist etwa ein Austritt in der Regel nicht gerechtfertigt, wenn die ausstehende Forderung im Verhältnis zum Monatsgehalt derart unwesentlich ist, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gerade nicht unzumutbar ist. Selbst die Geringfügigkeit des vorenthaltenen Betrags steht aber der Verwirklichung des Austrittsgrundes nicht entgegen, wenn die Vertragsverletzung über längere Zeit andauert und der Arbeitgeber die Nachzahlung des aushaftenden Betrags nicht einmal in Aussicht stellt.

Aufgrund dieser Rechtslage erachtet der OGH den vom Kläger erklärten Austritt als berechtigt. Der ihm vorenthaltene Betrag von 194,34 EUR ist zwar vergleichsweise gering. Er umfasst allerdings Ansprüche aus einem Zeitraum von fast drei Monaten. Vor allem aber hat die Beklagte durch ihr Schreiben vom 14. 12. 2005 unmissverständlich klargemacht, dass sie die verlangte Nachzahlung endgültig ablehnt. Dem Kläger war daher die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar.