24.03.2006 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Die mehrfache Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und das Vorliegen einer besonderen Gefahrensituation indizieren eine grobe Fahrlässigkeit


Schlagworte: Sozialversicherungsrecht, Arbeitsunfall, Integritätsabgeltung, Arbeitnehmerschutz
Gesetze:

§ 213a ASVG, §§ 12, 110 Abs 1, 119 Abs 2 Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl 1994/340

In seinem Erkenntnis vom 24.01.2006 zur GZ 10 ObS 111/05d hatte sich der OGH mit der Bestimmung des § 213a ASVG auseinanderzusetzen:

Der Antrag auf Integritätsabgeltung des Klägers, der bei einem Arbeitsunfall durch eine herabstürzende Betonplatte schwer verletzt wurde, wurde von der beklagten Partei abgewiesen, weil die einschlägigen Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht grob fahrlässig verletzt worden seien. Während das Erstgericht dem Begehren stattgab, weil weder Erkundigungen über die Art der Betonfertigwand noch Untersuchungen betreffend Statik und Konstruktion oder sonstige Sicherungsmaßnahmen durchgeführt wurden, wies das Berufungsgericht die Klage ab, weil der Mangel an Spezialwissen keine grobe Fahrlässigkeit begründe.

Der OGH führte dazu aus: Schon vor der Durchführung von Abbrucharbeiten sind Konstruktion, Statik, Art und Zustand des abzubrechenden Objektes durch eine fachkundige Person zu prüfen. Wenn darüber keine Aussagen getroffen werden können, sind entsprechende Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Entsteht während der Tätigkeiten eine Gefahr, ist die Arbeit sofort zu unterbrechen. Werden Verbindungen getrennt oder gelöst, sind Vorkehrungen zur Vermeidung von abstürzenden Teilen zu treffen. Liegen eine Kumulierung von Verletzungen der Arbeitnehmerschutzvorschriften und eine besondere Gefahrensituation vor, muss auf eine grobe Fahrlässigkeit geschlossen werden. Dass ein Schadenseintritt wahrscheinlich war, ergibt sich schon daraus, dass unmittelbar im Anschluss an das Herausschneiden der Betonplatte Bagger-, Rüttel- und Bohrarbeiten durchgeführt wurden.