16.07.2009 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Inwieweit berührt das Fehlen einer Aliquotierungsregel in einer Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung iSd § 2d AVRAG deren Gültigkeit?

Eine fehlende Aliquotierung führt zur völligen Unwirksamkeit der Rückersatzklausel


Schlagworte: Ausbildungskostenrückersatz, fehlende Aliquotierung, Nichtigkeit
Gesetze:

§ 2d AVRAG, § 879 ABGB

GZ 9 ObA 126/08g, 01.04.2009

OGH: Nach § 879 Abs 1 ABGB ist ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig. Der Umfang der Nichtigkeit ist nicht nach dem Parteiwillen, sondern nach dem Zweck der Verbotsnorm zu beurteilen. Es ist zu prüfen, ob die gesetzliche Anordnung des § 2d Abs 3 Z 3 AVRAG dahin zu verstehen ist, dass sie die gesamte Nichtigkeit der Rückersatzklausel erfordert, oder ob sie nur einen Mindeststandard festlegt und der Vertrag bloß insoweit unwirksam ist, als er über eine "hypothetische Aliquotierung" hinausgeht.

Fasst man die hier maßgebliche Anordnung des Gesetzgebers zusammen, so geht sie dahin, dass eine Verpflichtung zur Rückerstattung von Ausbildungskosten dann nicht besteht, wenn die Höhe der Rückerstattungsverpflichtung nicht aliquot vereinbart wird. Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Anordnung geht es nicht darum, einen gewissen inhaltlichen Mindeststandard abzusichern, sondern darum, dass die vertragliche Vereinbarung eine formelle Qualität aufweisen muss, ohne die keine Verpflichtung besteht. Insoweit passt sich diese Regelung auch systematisch in die anderen Anordnungen des Abs 3 des § 2d AVRAG ein, weil auch bei Abschluss einer Vereinbarung mit Minderjährigen (Z 1) oder nach Ablauf von mehr als fünf bzw acht Jahren (Z 2) danach überhaupt keine Verpflichtung zur Rückerstattung der Ausbildungskosten bestehen soll.

Vor dem Hintergrund der Absicht des Gesetzgebers, die mobilitätshemmende Wirkung von Ausbildungskostenrückersatzklauseln ohne Aliquotierung möglichst zu vermeiden, macht es Sinn, eine völlige Unwirksamkeit der Rückersatzklausel vorzusehen, wenn keine Aliquotierung festgelegt wird. Könnten sich doch viele Arbeitnehmer durch die unvermindert dargestellte gesetzwidrige Rückersatzverpflichtung und die damit bewirkte Rechtsunsicherheit abhalten lassen, zu einem anderen Arbeitgeber zu wechseln. Da also sowohl die wörtliche als auch die systematische und die historische Interpretation ergeben, dass es der Wille des Gesetzgebers ist, Rückersatzklauseln, die überhaupt keine Aliquotierung vorsehen, als zur Gänze unwirksam einzustufen, um die Vereinbarung solcher besonders mobilitätshemmender Klauseln möglichst zu verhindern, ist hier von der gänzlichen Unwirksamkeit der Rückersatzklausel auszugehen.