04.08.2009 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Frage, ob für die Kündigungsanfechtung nach § 105 ArbVG die besonderen Bestimmungen der Art 18 ff EuGVVO anzuwenden sind

Für die Kündigungsanfechtung nach § 105 ArbVG gelten die besonderen Bestimmungen des Art 18 ff EuGVVO


Schlagworte: Europäisches Zivilprozessrecht, Kündigungsanfechtung
Gesetze:

§ 105 ArbVG, Art 18 EuGVVO

GZ 9 ObA 144/08d, 02.06.2009

OGH: Die Art 18 ff EuGVVO kommen nach Art 18 Abs 1 EuGVVO nur zur Anwendung, soweit Gegenstand des Verfahrens "ein individueller Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag" sind. Sie gelten daher nicht für Streitigkeiten aus dem kollektiven Arbeitsrecht. Individuelle Ansprüche, die sich aus dem kollektiven Arbeitsrecht ergeben, werden von Art 18 ff EuGVVO erfasst. Der allgemeine Kündigungsschutz ist im Rahmen der Betriebsverfassung, eingebunden in die Mitwirkungsbefugnisse der Arbeitnehmerschaft, geregelt. Das materielle Anfechtungsrecht kommt der Belegschaft zu und wird als Mitbestimmungsrecht an der Unternehmensführung des Arbeitgebers qualifiziert. Es handelt sich also um einen kollektivrechtlich geprägten Kündigungsschutz mit dem vorrangigen Ziel der Wahrnehmung der Gesamtinteressen der Arbeitnehmerschaft. Der allgemeine Kündigungsschutz weist aber auch starke individualrechtliche Komponenten auf. Dies manifestiert sich vor allem im Schutzinteresse des einzelnen Arbeitnehmers, das auch im Rahmen einer Anfechtung als Belegschaftsrecht Berücksichtigung findet. Gerade diesen Zweck verfolgte aber auch die Schaffung eigener Zuständigkeitsregeln für Arbeitssachen in der EuGVVO. Aufgrund des gesteigerten Schutzbedürfnisses des Arbeitnehmers sollte ihm die Geltendmachung arbeitsrechtlicher Ansprüche erleichtert werden. Daher ist auch die Kündigungsanfechtung nach § 105 ArbVG dem Anwendungsbereich der gemeinschaftsrechtlich autonom auszulegenden Art 18 ff EuGVVO zu unterstellen.