03.06.2010 Zivilrecht

OGH: Haftung nach § 1409 ABGB iZm Einräumung eines Wohnrechts

Ein dem Veräußerer zugestandenes Fruchtgenussrecht an einer Wohnung kann nur dann als beim Veräußerer verbliebenes Vermögen berücksichtigt werden, wenn es einen im Vergleich zur übergebenen Liegenschaft nicht unerheblichen Wert bildet, welcher überdies auch einer exekutiven Verwertung zugänglich ist


Schlagworte: Gesetzlicher Schuldbeitritt, Erwerberhaftung, Einräumung eines Wohnrechts, Hypothekarforderungen
Gesetze:

§ 1409 ABGB

GZ 4 Ob 209/09b, 23.02.2010

OGH: Unter Vermögen oder Unternehmen iSd § 1409 ABGB versteht die hRsp die Aktiven. Den Beweis für die Höhe der Aktiven, ihren Wert und den Umfang der bereits bezahlten Schulden muss der Übernehmer erbringen, der sich zur Ablehnung weiterer Haftung darauf beruft. Der für die Wertermittlung maßgebliche Zeitpunkt ist jener des Abschlusses des dem Erwerb des Rechtstitels dienenden Verpflichtungsgeschäfts, weil bereits zu diesem Zeitpunkt eine ohne enormes Prozess- und Bonitätsrisiko nicht mehr rückgängig zu machende obligatorische Bindung des Schuldners und Übernehmers bestand.

Mit der Frage, ob Pfandbelastungen des übernommenen Vermögens oder Unternehmens bei der Wertberechnung in Abzug zu bringen sind, hat sich der OGH in der Entscheidung 9 Ob 254/99i ausführlich auseinandergesetzt und die dazu bestehende Rsp und Lehre dargestellt. Er gelangte zu dem Ergebnis, dass zwar die Haftungsobergrenze durch den Wert der Aktiven gebildet werde, aber der Übernehmer durch die Zahlung von auf dem übernommenen Vermögen oder Unternehmen pfandrechtlich sichergestellten Forderungen diese Haftungsgrenze reduziere. Gleiches gelte, wenn im Einverständnis mit den betreffenden Gläubigern eine den Veräußerer von der Haftung befreiende Übernahme der pfandrechtlich sichergestellten Forderungen durch den Erwerber erfolgt sei. An dieser Rechtsansicht hielt der OGH zu 8 Ob 51/01k ausdrücklich fest, Pfandbelastungen einer Liegenschaft verminderten doch im Wirtschaftsleben nicht deren objektiven Wert, sondern im Fall der Übernahme durch den Käufer lediglich den bar zu bezahlenden Kaufpreis. Ob darüber hinaus generell und unabhängig von einer Zahlung des Übernehmers pfandrechtlich sichergestellte Forderungen vom Wert der Aktiven abzuziehen sind, wurde in 9 Ob 254/99i offen gelassen.

Zwar sprechen sich Riedler und Wagnest dafür aus, Passiva schon für die Frage der Anwendbarkeit des § 1409 ABGB zu berücksichtigen, dem vermag sich der erkennende Senat aber nicht anzuschließen. Aus der bloßen dinglichen Belastung kann noch nicht darauf geschlossen werden, dass der Übernehmer tatsächlich persönlich in Anspruch genommen wird, das von ihm übernommene Vermögen daher infolge Schuldtilgung vermindert wird. § 1409 ABGB ordnet lediglich einen Schuldbeitritt an, der Veräußerer bleibt dem Gläubiger verpflichtet. Denkbar ist demnach, dass der Übergeber den Gläubiger auch befriedigt (etwa aus dem Kaufpreis). In einem solchen Fall würde die Berücksichtigung von Pfandbelastungen dazu führen, dass bei entsprechend hoher Belastung die Anwendung des § 1409 ABGB mangels Vermögensübernahme zu verneinen wäre. Müsste der Übernehmer für die dinglich sichergestellten Forderungen in der Folge aber nicht selbst aufkommen, wäre der Zweck des gesetzlichen Schuldbeitritts nach § 1409 ABGB, den (pfandrechtlich nicht sichergestellten) Gläubigern des Übergebers den Haftungsfonds zu erhalten, vereitelt. Auf der veräußerten Liegenschaft lastende Pfandrechte bewirken auch nicht, dass den sonstigen Gläubigern des Veräußerers verwertbares Vermögen (Haftungsfonds) verbliebe, was der Anwendbarkeit des § 1409 ABGB entgegenstehen könnte. Bei Feststellung des Werts des übernommenen Vermögens sind daher Hypothekarforderungen von den Aktiva nicht abzuziehen, sofern keine Befriedigung oder befreiende Schuldübernahme erfolgt.

Der Begriff des "ganzen Vermögens" ist nicht so wörtlich zu nehmen, dass der Übergeber überhaupt nichts zurückbehalten dürfe, sondern dahin zu verstehen, dass nicht "Erhebliches" zurückbleiben darf. Die Gegenleistung des Erwerbers ist dann zu berücksichtigen, wenn sie den Gläubigern des Erwerbers die gleiche Sicherheit und die gleiche Befriedigungsmöglichkeit wie dessen bisheriges Vermögen gewährt, etwa bei Eintausch einer Liegenschaft, die den wesentlichen Teil des Vermögens des Veräußerers bildet, gegen eine gleichwertige. Eine nicht äquivalente Gegenleistung liegt nicht nur dann vor, wenn sie dem Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens nicht entspricht, sondern auch dann, wenn sie nicht die gleiche Sicherheit und Befriedigungsmöglichkeit bietet. Das von der Klägerin ins Treffen geführte, von ihr den Veräußerern zugestandene Fruchtgenussrecht an einer Wohnung im Haus kann daher nur dann als beim Veräußerer verbliebenes Vermögen berücksichtigt werden, wenn es einen im Vergleich zur übergebenen Liegenschaft nicht unerheblichen Wert bildet, welcher überdies auch einer exekutiven Verwertung zugänglich ist.