31.03.2006 Arbeits- und Sozialrecht

EuGH: Keine Bindung für den Erwerber eines Unternehmens, der dem Kollektivvertrag nicht angehört, für nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltende Kollektivverträge


Schlagworte: Betriebsübergang, Arbeitsverhältnis, Arbeitsvertrag, Kollektivvertrag, Lohn, Tarifvertrag
Gesetze:

Art 3 Abs 1 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26)

Mit Urteil vom 09.03.2006 zur GZ C-499/04 hat sich der EuGH mit dem Betriebsübergang befasst:

Der Kläger war bei der DUEWAG AG tätig. Nach dem Arbeitsvertrag galten für das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Manteltarifvertrags und des jeweils gültigen Lohnabkommens für Arbeiter der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens. Dieser Tarifvertrag war zwischen dem Arbeitgeberverband der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (AGV) und der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) geschlossen worden. Zur Zeit der Einstellung war die DUEWAG AG Mitglied des AGV. In der Folge wurde ein Teil des Betriebes, in dem der Kläger beschäftigt war, an die Beklagte veräußert. Die Beklagte ist nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes, der Tarifverträge abschließt.

In einer Betriebsvereinbarung vom 2. August 2001 vereinbarte die Beklagte mit dem Betriebsrat ein Raster über die Eingruppierung der Arbeitnehmer in Anlehnung an die Bestimmung des genannten Tarifvertrags. Am 13. August 2001 schloss die Beklagte eine weitere Betriebsvereinbarung ab, die eine einmalige Gehaltszahlung vorsah. Mit Schreiben vom selben Tag erklärte der Kläger, gegen Zahlung dieses Einmalbetrags verzichte er gegenüber der Beklagten unwiderruflich auf alle eventuell bestehenden individuellen Ansprüche aus Tariferhöhungen, die sich auf den Zeitraum vor Inkrafttreten dieser Vereinbarung beziehen. Am 23. Mai 2002 schlossen die IG Metall und der AGV einen neuen Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens ab, der eine Erhöhung der Löhne um 2,6 % und eine weitere Leistung ab 1. Juni 2003 vorsah. Der Kläger erhob Klage beim Arbeitsgericht Wuppertal und beantragte, die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 1. Juni 2003 den Differenzbetrag zwischen der Grundvergütung und dem im Tarifvertrag vom 23. Mai 2002 vorgesehenen Betrag sowie die vereinbarte weitere tarifliche Leistung zu zahlen.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob Art 3 Abs 1 der Richtlinie im Fall eines Unternehmensübergangs und bei Bestehen eines Arbeitsvertrags, der auf einen Kollektivvertrag verweist, dessen Partei der Veräußerer, nicht aber der Erwerber ist, dahin auszulegen ist, dass der Erwerber durch Kollektivverträge, die dem zum Zeitpunkt dieses Übergangs geltenden Vertrag nachfolgen, nicht gebunden ist.

Dazu der EuGH: Nach stRsp des Gerichtshofes soll die Richtlinie die Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Inhabers des Unternehmens dadurch gewährleisten, dass sie ihnen die Möglichkeit gibt, ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zu eben den Bedingungen fortzusetzen, die mit dem Veräußerer vereinbart waren und von ihnen nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer abgewichen werden darf.

Eine Klausel, die auf einen Kollektivvertrag verweist, kann aber keine weiter gehende Bedeutung haben als dieser Kollektivvertrag, da die Richtlinie nur bezweckt, die am Tag des Übergangs bestehenden Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer zu wahren. Dagegen wollte die Richtlinie nicht bloße Erwartungen und somit hypothetische Vergünstigungen schützen, die sich aus zukünftigen Entwicklungen der Kollektivverträge ergeben könnten. Art 3 Abs 1 der Richtlinie ist daher dahin auszulegen, dass er nicht dem entgegensteht, dass der Erwerber, der nicht Partei eines den Veräußerer bindenden Kollektivvertrags ist, auf den der Arbeitsvertrag verweist, durch Kollektivverträge, die dem zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden nachfolgen, nicht gebunden ist.