29.10.2009 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zum vorzeitigen Austritt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Die bloße Bekanntgabe der Zahlungsunfähigkeit reicht für sich allein noch nicht, um dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eines vorzeitigen berechtigten Austritts zu nehmen


Schlagworte: Vorzeitiger Austritt, ungebührlicher Vorenthalt des Entgelts, Insolvenz
Gesetze:

§ 82a lit d GewO, § 26 Z 2 AngG

GZ 9 ObA 87/08x, 26.08.2009

Die Kläger erklärten aufgrund von ausständigen Entgeltzahlungen infolge Zahlungsschwierigkeiten ihres Arbeitgebers ihren vorzeitigen Austritt. Den klagsweise geltend gemachten Ansprüchen aus der Beendigung der Arbeitsverhältnisse hielt die vormalige Beklagte entgegen, dass den Klägern die Zahlungsunfähigkeit bekannt gewesen sei und folglich nicht auf die formelle Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzustellen sei. Es sei zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis aufrecht zu erhalten, da infolge der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens deren Ansprüche nach dem IESG gesichert gewesen wären. Darüber hinaus sei das Verbot der Gläubigerbegünstigung zu beachten.

OGH: Wird das Entgelt vom Arbeitgeber weder bestritten noch bezweifelt und zum Fälligkeitszeitpunkt nicht oder nicht zur Gänze beglichen, ist der Arbeitnehmer zum vorzeitigen Austritt berechtigt. Ein ungebührliches Vorenthalten des Entgelts erfordert das Wissen oder Wissen müssen des Arbeitgebers, dass der Verzug unrechtmäßig ist, sowie die Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses trotz des Verzuges für den Arbeitnehmer. Liegt weder eine Konkurs- noch Ausgleichseröffnung vor, können die für den unberechtigten vorzeitigen Austritt geltenden gesetzlichen Bestimmungen nicht zur Anwendung gelangen. Zu diesem Zeitpunkt besteht auch noch kein Anspruch auf Insolvenz-Ausfall-Entgelt. Unabhängig vom Verbot der Gläubigerbegünstigung, welchem der Arbeitgeber unterliegt, reicht der Eintritt der materiellen Zahlungsunfähigkeit nicht, den Vorenthalt gebührenden Entgelts gegenüber den Arbeitnehmern zu rechtfertigen, womit der vorzeitige Austritt zulässig ist.