07.04.2006 Arbeits- und Sozialrecht

EuGH: Das Entgelt für den Mindestjahresurlaub darf nicht als Teilbetrag zum Entgelt für geleistete Arbeit ausbezahlt werden; derartige - gegen die Richtlinie verstoßende - Auszahlungen können aber auf das Entgelt für einen bestimmten, vom Arbeitnehmer tatsächlich genommenen Urlaub angerechnet werden


Schlagworte: Urlaubsanspruch, einbezogenes Urlaubsentgelt, Teilbetrag, Mindestjahresurlaub, Ruhezeit
Gesetze:

Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 307, S. 18)

Mit Urteil vom 16.03.2006 zur GZ C-131/04 hat sich der EuGH mit dem Entgelt sowie dem Anspruch auf Urlaub befasst:

Herr Robinson-Steele arbeitete für die R. D. Retail Services. Diese bietet die Dienste ihrer Arbeitnehmer großen Unternehmen im Einzelhandelsektor an. Eine Klausel seines Arbeitsvertrages lautete: "Der Anspruch auf Urlaubsentgelt entsteht in einer Höhe, die sich nach dem Zeitabschnitt richtet, während dessen der Zeitarbeitnehmer im Jahr des Urlaubs kontinuierlich weisungsgemäß gearbeitet hat. Der Zeitarbeitnehmer ist einverstanden, dass das den Anspruch auf bezahlten Urlaub betreffende Entgelt zusätzlich zu seinem Arbeitsentgelt zusammen mit diesem zu einem Stundensatz von 8,33 % des Stundensatzes seines Arbeitsentgelts (Anm: rechnerisch genau der Betrag, der dem Entgelt für eine Woche entspricht, das zu zahlen ist, wenn der Arbeitnehmer ununterbrochen drei Monate lang gearbeitet hat) ausgezahlt wird."

Herr Robinson-Steele reichte beim Leeds Employment Tribunal eine Klageschrift ein, mit der er geltend machte, dass er 20 Monate für Retail Services gearbeitet habe und diese ihm hinsichtlich des bezahlten Jahresurlaubs nur das "rolled-up holiday pay" (einbezogenes Urlaubsentgelt) gezahlt habe. Das habe in den meisten Fällen bedeutet, dass kein Urlaub genommen worden sei, weil für den Urlaub selbst kein Entgelt gezahlt worden sei.

Das engl Leeds Employment Tribunal hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob innerstaatliche Rechtsvorschriften, die zulassen, dass die Bezahlung für Jahresurlaub in den Stundenlohn eines Arbeitnehmers eingerechnet und als Teil des Entgelts für die Zeiten der Arbeitsleistung, nicht aber in Bezug auf den Zeitraum eines von dem Arbeitnehmer tatsächlich genommenen Urlaubs gezahlt werden, mit Art 7 der Richtlinie vereinbar sind.

Dazu der EuGH: Die Richtlinie enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung. Es ist festzustellen, dass kein bestimmter Zeitpunkt festgelegt wird, zu dem das Entgelt für den Jahresurlaub zu zahlen ist. Nach Art 7 Abs 1 der Richtlinie treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. Zu diesen Bedingungen gehört die Festlegung des Zeitpunkts, zu dem das Entgelt für den Jahresurlaub zu zahlen ist. Durch das Erfordernis der Zahlung dieses Urlaubsentgelts soll der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass nach Art 7 Abs 2 der bezahlte Mindestjahresurlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf. Dieses Verbot soll gewährleisten, dass der Arbeitnehmer normalerweise über eine tatsächliche Ruhezeit verfügen kann, damit ein wirksamer Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit sichergestellt ist. Eine Regelung, wie sie Gegenstand der Vorlagefragen ist, kann jedoch zu Situationen führen, in denen der bezahlte Mindestjahresurlaub, ohne dass die Voraussetzungen des Artikels 7 Absatz 2 der Richtlinie erfüllt sind, doch durch eine finanzielle Vergütung ersetzt wird.

Aus alledem ergibt sich, dass es Artikel 7 der Richtlinie nicht zulässt, dass das Entgelt für den Mindestjahresurlaub im Sinne dieser Bestimmung in Teilbeträgen gezahlt wird, die, über das entsprechende Arbeitsjahr verteilt, zusammen mit dem Entgelt für geleistete Arbeit und nicht als Entgelt für einen bestimmten Zeitabschnitt, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich Urlaub nimmt, ausgezahlt werden. Art 7 lässt es aber zu, dass Zahlungen, die im Rahmen einer solchen gegen die Richtlinie verstoßenden Regelung bereits als Zahlungen im Hinblick auf Entgelt für Mindestjahresurlaub im Sinne dieser Bestimmung vorgenommen wurden, auf den Anspruch auf das Entgelt für einen bestimmten Zeitabschnitt, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich Urlaub nimmt, angerechnet werden können.