06.01.2011 Zivilrecht

OGH: Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft durch Begründung von Wohnungseigentum - zur Frage, ab welcher Ungleichverteilung eine Realteilung nicht mehr zulässig ist und ob Vereinbarungen über Anteilsverschiebungen nur mit Einigung sämtlicher Teilhaber maßgeblich sind

Das fehlende Einvernehmen aller stellt bei Zustimmung der von der Ungleichwertigkeit betroffenen Teilhaber kein Hindernis für die Naturalteilung durch Wohnungseigentumsbegründung dar


Schlagworte: Miteigentumsrecht, Wohnungseigentumsrecht, Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft durch Begründung von Wohnungseigentum, Realteilung, Zivilteilung, Ungleichwertigkeit, Zustimmung, Ausgleichszahlung
Gesetze:

§ 830 ABGB, § 841 ABGB, § 843 ABGB, § 3 Abs 1 Z 3 WEG

GZ 5 Ob 93/10b, 16.11.2010

OGH: Beim unbedingten Anspruch eines Teilhabers auf Aufhebung der Gemeinschaft hat grundsätzlich die Realteilung gesetzlichen Vorrang vor der Zivilteilung. Eine Realteilung ist regelmäßig dann möglich und tunlich, wenn die Sache physisch oder im Rechtssinn geteilt werden kann, ohne dass es im Verhältnis der Summe der Einzelwerte zum Wert der ungeteilten Sache zu einer wesentlichen Wertminderung käme und die Sache zwischen den Teilhabern so aufgeteilt werden kann, dass die entstehenden Teile den Anteilen etwa gleichwertig und diese annähernd gleich beschaffen sind, ohne dass ein unverhältnismäßiger Wertausgleich notwendig wäre.

In § 3 Abs 1 Z 3 WEG 2002 ist die Möglichkeit der Wohnungseigentumsbegründung als Naturalteilung gesetzlich verankert. Im Regelfall ist dabei jedem Miteigentümer entsprechend seinem Anteil Wohnungseigentum einzuräumen. Dabei ist grundsätzlich dem mietrechtsberechtigten Miteigentümer jene Wohnungseigentumseinheit zuzuweisen, die er bisher benützt hat, um Berührungspunkte zwischen den bisherigen Miteigentümern hintanzuhalten. Eine Zuweisung von Wohnungseigentum entsprechend dem bisherigen Miteigentumsanteil an jeden Einzelnen findet dann nicht statt, wenn ein Wohnungseigentümer auf die Zuweisung eines eigenen Wohnungseigentumsobjekts verzichtet oder, wie der erkennende Senat schon ausgesprochen hat, Einigkeit zwischen zwei Miteigentümern dahin besteht, dass bei der Teilung eine Wohnungseigentümerpartnerschaft (§ 2 Abs 10, § 13 WEG 2002) begründet werden soll. Dazu reicht eine prozessuale Erklärung aus. Die Rechtsfolgen sind durch § 13 Abs 3 WEG 2002 geregelt.

Weil der Gesetzgeber die in § 3 Abs 1 Z 3 WEG 2002 vorgesehene Möglichkeit der Wohnungseigentumsbegründung als Naturalteilung versteht, müssen jedem Miteigentümer entsprechend seinem Anteil Wohnungseigentumsanteile auch annähernd gleicher Beschaffenheit und Größe zugewiesen werden. Das ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bei der Beklagten der Fall. Zum einen wird ihr die von ihr bisher als Mieterin bewohnte Wohnung ins Wohnungseigentum übertragen, zum anderen erhält sie denjenigen Gartenanteil, der nicht aufgrund seiner angrenzenden Lage einem anderen Wohnungseigentumsobjekt zuzuweisen ist, und einen Abstellplatz. Dass ihr überdies die Souterrainwohnung samt Zubehörflächen zugeschlagen wurde und wie den anderen Miteigentümern auch Räumlichkeiten im Keller, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wobei bei der maßgeblichen Nutzwertermittlung dafür ohnedies entsprechend verminderte Nutzwertanteile zugrundegelegt wurden.

Ihr Widerspruch gegen die Zuweisung auch dieser im Verhältnis zu den drei Wohnungen geringerwertigen Flächen ist zwar verständlich, muss aber angesichts der sonst (faktisch wie rechtlich) unmöglichen Realteilung unbeachtlich bleiben. In diesem Zusammenhang ist noch klarzustellen, dass diejenigen Schäden an den Souterrainräumlichkeiten, die festgestellt wurden, ohnedies in die gemeinsame Erhaltungspflicht sämtlicher Wohnungseigentümer fallen, weil sie als Feuchtigkeitsschäden (aufsteigende Grundfeuchte) allgemeine Teile der Liegenschaft betreffen.

Der Haupteinwand der Beklagten gegen die von den Klägern vorgeschlagene Teilung betrifft allerdings den Umstand, dass der Zweitkläger, dem bisher 15,625 % der Miteigentumsanteile zukamen, künftig über einen Anteil an 26,012 % verfügen wird. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen stellt das fehlende Einvernehmen aller bei Zustimmung der von der Ungleichwertigkeit betroffenen Teilhaber kein Hindernis für die Naturalteilung durch Wohnungseigentumsbegründung dar. Die prozessuale Klarstellung der Erst- und Drittkläger, auf eine Ausgleichszahlung gegenüber dem Zweitkläger zu verzichten und mit einer entsprechenden Verminderung ihrer Anteile einverstanden zu sein, ist entscheidungsrelevant. Es wird judiziert, dass dann, wenn bei einer Naturalteilung einer Liegenschaft ein Teilstück höherwertig bleibt als ein ideeller Anteil und der auf Zivilteilung geklagte Miteigentümer mit der Zuweisung des geringerwertigen Teils ohne Verlangen einer Ausgleichszahlung einverstanden ist, die Naturalteilung den Vorrang hat. Dann kommt es nicht darauf an, dass alle Teilhaber dem Werte nach gleichgehalten werden müssen und nur geringfügige Wertunterschiede in Geld ausgeglichen werden können. Die Gleichbehandlung bei der Realteilung unterliegt damit wie auch bei einvernehmlicher Teilung im gerichtlichen Verfahren auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft durch Realteilung im Ergebnis der Disposition der davon Betroffenen. Im gegebenen Fall sind Erst- und Drittkläger zum einen mit der Zuweisung nur einer Wohnung an beide gemeinsam als Wohnungseigentümerpartner und zum anderen zugunsten des Zweitklägers mit einer erheblichen Verminderung ihrer Anteile ersatzlos einverstanden, um eine Naturalteilung in Wohnungseigentum zu ermöglichen. Statt ihrer bestehenden ideellen Anteile von zusammen 50 % verfügen sie in Hinkunft zusammen nur noch über 41,618 %. Der Widerspruch eines anderen Teilhabers dagegen ist nicht entscheidungsrelevant, wenn er davon nicht oder nur in einem solchen Ausmaß betroffen ist, wie es auch bei "annähernd gleichwertiger" Aufteilung der Fall wäre.

Eine Zuweisung des neben der Wohnung der Beklagten liegenden Dachbodenraums an sie kommt nach den Feststellungen nicht in Betracht, weil es sich dabei um einen notwendig allgemeinen Teil der Liegenschaft (Zugänglichkeit der Kamine für die Kehrung) handelt.

Selbst wenn eine Verkehrswertermittlung ergibt, dass die neuen Anteile der Beklagten um 2,363 % höherwertiger sind als es ihren bisherigen Anteilen entspricht, erscheint in Anbetracht der Sachlage, insbesondere wegen der Notwendigkeit der Zuweisung der unerwünschten Souterrainräumlichkeiten an sie, die Auferlegung einer Ausgleichszahlung an die Beklagte als unbillig. Das diesbezügliche Begehren war daher spruchmäßig abzuweisen.