14.01.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Verletzung der Entgeltzahlungspflicht als Verstoß gegen die Fürsorgepflicht?

Der Verstoß gegen die Fürsorgepflicht kann nicht schon in der Verletzung der Entgeltzahlungspflicht durch den Dienstgeber liegen; es muss vielmehr ein besonderer Umstand dazu treten, der den Vorwurf rechtfertigt, der Dienstgeber habe in vorwerfbarer Weise - über den Verzug mit den geschuldeten Entgeltzahlungen hinaus - die vermögensrechtlichen Interessen der Dienstnehmer verletzt


Schlagworte: Fürsorgepflicht des Dienstgebers, Verletzung der Entgeltzahlungspflicht, Verjährung Schadenersatzrecht
Gesetze:

§ 1157 ABGB, § 1486 ABGB, § 1489 ABGB, §§ 1295 ff ABGB

GZ 9 ObA 20/09w, 29.10.2009

OGH: § 1486 ABGB verkürzt im Interesse der Rechtssicherheit die allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 1478 ABGB) für bestimmte Forderungen, zB auch jene der Dienstnehmer wegen des Entgelts (Z 5), auf drei Jahre. Für den Beginn des Laufes der dreijährigen Verjährungsfrist kommt es in aller Regel nur auf die objektive Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruchs an. Subjektive Hindernisse haben in der Regel auf den Beginn der Verjährung keinen Einfluss.

Die Klägerinnen meinen jedoch, dass ihnen im vorliegenden Fall Schadenersatzforderungen in Höhe der rückständigen Zulagen wegen der Verletzung der Fürsorgepflicht der Beklagten zustehen. Diese unterlägen der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB, die erst ab Kenntnis des Schadens und des Schädigers zu laufen begonnen habe.

Unstrittig trifft den Dienstgeber gegenüber seinen Dienstnehmern - neben der Hauptpflicht auf Zahlung des geschuldeten Entgelts - eine Fürsorgepflicht, die auch die vermögensrechtlichen Interessen der Dienstnehmer erfasst. Diese erstreckt sich aber nicht auf die Information der Dienstnehmer über die Unrichtigkeit einer Entgeltzahlung, zumal dem Dienstgeber ein solcher Umstand oft nicht bekannt sein wird.

Das von der Beklagten (irrtümlich) für richtig gehaltene Entgelt haben die Klägerinnen bekommen. Es wäre ihre Sache gewesen, diese Zahlungen zu prüfen oder prüfen zu lassen. Auch die Revisionswerberinnen erkennen, dass ihnen neben den bereits verjährten Zulagenforderungen nicht ohne Weiteres "stellvertretende" Schadenersatzforderungen zustehen. Die Verjährung des § 1486 Z 5 ABGB könnte sonst allzu leicht umgangen werden. Der Verstoß gegen die Fürsorgepflicht kann daher nicht schon in der Verletzung der Entgeltzahlungspflicht durch den Dienstgeber liegen; es muss vielmehr ein besonderer Umstand dazu treten, der den Vorwurf rechtfertigt, der Dienstgeber habe in vorwerfbarer Weise - über den Verzug mit den geschuldeten Entgeltzahlungen hinaus - die vermögensrechtlichen Interessen der Dienstnehmer verletzt. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt allerdings regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab.