14.01.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Arbeitsunfall iSd § 175 ASVG - Unfallversicherungsschutz iZm Anlagefälle

Ein anlagebedingt schon durch alltäglich vorkommende Ereignisse leicht auslösbares Leiden ist unabhängig davon, ob es sich um altersbedingte oder darüber hinausgehende Anlageschäden handelt, nicht vom Unfallversicherungsschutz umfasst


Schlagworte: Arbeitsunfall, Anlageschaden
Gesetze:

§ 175 ASVG

GZ 10 ObS 164/09d, 20.10.2009

OGH: Nach stRsp und herrschender Lehre gilt für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und der Körperschädigung des Versicherten im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung die Theorie von der wesentlichen Bedingung oder wesentlich mitwirkenden Ursache. Danach sind als Ursache oder Mitursache eines Arbeitsunfalls unter Abwägung ihres Wertes im Verhältnis zu mitwirkenden Ursachen nur solche Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben, also nicht gegenüber den Mitursachen so erheblich in den Hintergrund treten, dass sie als unwesentlich erscheinen. Die Rechtsprechung bezeichnet aber nur jene Bedingungen als wesentlich, ohne die der Erfolg in einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur in geringerem Umfang eingetreten wäre. Dieser Grundsatz ist auf die sog Anlagefälle zugeschnitten, in denen der Gesundheitsschaden oder Tod des Versicherten zwar real durch die kausale Einwirkung aus dem Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung entstanden ist, aller Wahrscheinlichkeit nach aber innerhalb kurzer Zeit in ähnlicher Schwere aufgrund einer schicksalshaften inneren Anlage entstanden wäre. In einem solchen Fall wird der Körperschaden nur dann der Unfallversicherung zugerechnet, wenn er ohne den Umstand aus der Gefahrensphäre der Unfallversicherung erheblich später oder erheblich geringer eingetreten wäre.

Der Versicherte ist nach dem Schutzzweck des Unfallversicherungsrechts in dem Zustand geschützt, in dem er sich zum Zeitpunkt des Unfallereignisses befunden hat. Dies bedeutet, dass altersbedingte natürliche Abnützungserscheinungen (zB an Gelenken), die für den Schaden mitverantwortlich sind, den Zurechnungszusammenhang nicht von vornherein ausschließen. Hiezu bedarf es vielmehr einer wertenden Gegenüberstellung der körpereigenen Ursachen mit den betriebsbedingten Ursachen. Nach den bereits oben dargelegten Grundsätzen über den ursächlichen Zusammenhang ist dann zu beurteilen, ob das Unfallereignis eine wesentlich mitwirkende Bedingung für die Schädigung gewesen ist oder ob die krankhafte Veranlagung alleinige oder überragende Ursache war. Letzteres ist anzunehmen, wenn die Krankheitsanlage so stark ausgeprägt und so leicht ansprechbar war, dass auch jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis die Schädigung zu annähernd gleicher Zeit und in annähernd demselben Ausmaß ausgelöst hätte. Der OGH hat bereits mehrfach klargestellt, dass es dann, wenn aufgrund degenerativer Veränderungen die Unfallfolge auch bei jedem anderen alltäglich vorkommenden Ereignis hätte eintreten können, am erforderlichen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen fehlt, ohne dass es dabei noch auf das Alter des Versicherten und die damit verbundene Frage der altersgemäßen Abnützung ankäme. Ein Leistungsanspruch aus der gesetzlichen Unfallversicherung kommt nämlich grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn die gesundheitlichen Unfallfolgen wesentlich auf das Unfallgeschehen zurückzuführen sind. Die Rechtsprechung hat die "annähernd gleiche Zeit" einer Schädigung durch jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis bislang nicht definiert, aber mehrfach ausgesprochen, dass eine "Verfrühung" des Körperschadens durch den Unfall um mehr als ein Jahr jedenfalls als erheblich anzusehen ist. Dieser Zeitspanne von einem Jahr kommt jedoch keine allein ausschlaggebende Bedeutung zu; die Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache richtet sich vielmehr nach den Besonderheiten des Einzelfalls.