21.04.2006 Arbeits- und Sozialrecht

EuGH: Der Begriff des Arbeitnehmers iSv Art 39 EGV ist nicht eng auszulegen; das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält


Schlagworte: Arbeitnehmer, Ehegatte, Berufspraktikum, Arbeitserlaubnis
Gesetze:

Art 39 EGV, Art 11 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2434/92 des Rates vom 27. Juli 1992 (ABl. L 245, S. 1) geänderten Fassung

Mit Urteil vom 30.03.2006 zur GZ C-10/05 hat sich der EuGH mit dem Begriff des Arbeitnehmers befasst:

Herr Cikotic, der die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzt, ist mit Frau Mattern, die luxemburgische Staatsangehörige ist, verheiratet. Beide wohnen in Belgien. Frau Mattern absolvierte in Belgien eine Berufsschulausbildung als Familien- und Pflegehelferin und leistete dort ein Berufspraktikum als Krankenpflegehelferin. In der Folge lehnte die luxemburgische Arbeitsverwaltung den Antrag des Herrn Cikotic auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis ab.

Dazu der EuGH: Nach Art 11 der Verordnung haben der Ehegatte eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit ausübt, sowie die Kinder dieses Staatsangehörigen, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen er Unterhalt gewährt, selbst wenn sie nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, das Recht, im gesamten Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats irgendeine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis auszuüben. Dabei ist zu beachten, dass das Recht eines Angehörigen eines Drittstaats, der mit einem Gemeinschaftsangehörigen verheiratet ist, auf Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats an die diesem Gemeinschaftsangehörigen nach Art 39 EGV zustehenden Rechte und insbesondere an dessen Arbeitnehmereigenschaft geknüpft ist.

Zu klären ist, ob im konkreten Fall eine Arbeitnehmereigenschaft besteht. Nach stRsp des Gerichtshofes ist der Begriff Arbeitnehmer nicht eng auszulegen. Demnach ist Arbeitnehmer jede Person, die eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Weder die begrenzte Höhe der Vergütung noch die Herkunft der Mittel für diese Vergütung hat irgendeine Auswirkung auf die Arbeitnehmereigenschaft. Die Beurteilung des Sachverhalts, ob Frau Mattern eine derartige Tätigkeit ausübt, ist Sache des nationalen Gerichts.

Gem Art 11 der Verordnung hat der Ehegatte nur in dem Mitgliedstaat das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt, in dem der Gemeinschaftsangehörige eine entsprechende Tätigkeit ausübt. Ein Anspruch auf Erteilung der Arbeitserlaubnis eines anderen Mitgliedstaates ergibt sich daraus nicht.