11.02.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Privatpilotenschein als Ausbildungskosten iSd § 2d AVRAG rückforderbar?

Dass der Gesetzgeber in § 2d AVRAG von dem Arbeitnehmer vermittelten "Spezialkenntnissen" spricht, schließt nicht aus, dass auch die Vermittlung allgemeiner Kenntnisse rückersatzfähig ist, sofern solche allgemeinen Kenntnisse auf dem Arbeitsmarkt verwertbar sind


Schlagworte: Ausbildungskostenrückersatz, aliquot
Gesetze:

§ 2d AVRAG

GZ 9 ObA 53/09y, 16.11.2009

Den Mitarbeitern der Klägerin wurde - im Zuge einer "Incentive-Aktion" - ermöglicht, bei einer Konzerngesellschaft den Privatpilotenschein um 6.680 EUR (statt 13.300 EUR) zu erwerben. Sofern sich Mitarbeiter, die bereits drei Jahre im Konzern tätig waren, verpflichteten, für weitere drei Jahre ein Dienstverhältnis im Konzern aufrechtzuerhalten, konnten sie den Privatpilotenschein kostenlos erwerben.

OGH: Gem § 2d Abs 1 AVRAG sind Ausbildungskosten "die vom Arbeitgeber tatsächlich aufgewendeten Kosten für jene erfolgreich absolvierte Ausbildung, die dem Arbeitnehmer Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt, die dieser auch bei anderen Arbeitgebern verwenden kann. Einschulungskosten sind keine Ausbildungskosten." Ausschlaggebend ist, ob die dem Arbeitnehmer vermittelten Kenntnisse auf dem Arbeitsmarkt verwertbar sind bzw ob er dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt, weil seine Fähigkeiten zunehmen und seine Berufschancen auf dem Arbeitsmarkt steigen.

Diese Voraussetzung ist aber hier gegeben: Dass der Gesetzgeber in § 2d AVRAG von dem Arbeitnehmer vermittelten "Spezialkenntnissen" spricht, schließt nicht aus, dass auch die Vermittlung allgemeiner Kenntnisse rückersatzfähig ist, sofern solche allgemeinen Kenntnisse auf dem Arbeitsmarkt verwertbar sind. Daher wurden etwa auch die Kosten des Erwerbs des Führerscheins als Ausbildungskosten qualifiziert. Vergleichbar dem Erwerb eines Führerscheins stellt aber auch der Erwerb eines Privatpilotenscheins für den Arbeitnehmer einen Mehrwert dar, der ihm - jedenfalls in gewissen Bereichen des Arbeitsmarkts - bessere Chancen (erhöhte Einsetzbarkeit, verbesserte Verdienstmöglichkeiten) eröffnet. Darauf, ob der Arbeitgeber selbst von diesen Möglichkeiten, die er dem Arbeitnehmer eröffnet hat, Gebrauch macht, stellt das Gesetz ebenso wenig ab, wie auf die Motive, die den Arbeitgeber dazu bewogen haben, dem Arbeitnehmer die Ausbildung zu ermöglichen. Die Vorinstanzen haben aus den dargestellten Überlegungen die Kosten der dem Beklagten eröffneten Möglichkeit, den Privatpilotenschein zu erwerben, zu Recht als Ausbildungskosten iSd § 2d AVRAG qualifiziert.

Die Vorinstanzen haben die von den Streitteilen getroffene Rückersatzvereinbarung als unwirksam erachtet, weil darin keine Aliquotierung der zurückzuzahlenden Ausbildungskosten vereinbart wurde.

Der OGH hat bereits, in Übereinstimmung mit dem weit überwiegenden Schrifttum, die Auffassung vertreten, dass Rückersatzklauseln, die entgegen § 2d Abs 3 Z 3 AVRAG keine Aliquotierung der Rückersatzverpflichtung vorsehen, zur Gänze unwirksam sind. Dies wurde mit der aus den Gesetzesmaterialien ersichtlichen Absicht des Gesetzgebers begründet, die mobilitätshemmende Wirkung von Ausbildungskostenrückersatzklauseln ohne Aliquotierung möglichst zu vermeiden. Andernfalls müsse befürchtet werden, dass sich viele Arbeitnehmer durch die (gesetzwidrig) unvermindert dargestellte Rückersatzverpflichtung und die damit bewirkte Rechtsunsicherheit vom Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber abhalten lassen.