11.02.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Pflegegeld Stufe 5 - zum außergewöhnlichen Pflegeaufwand iSd § 4 Abs 2 BPGG iVm § 6 Z 1 EinstV

Es müssen Umstände vorliegen, die einen Betreuungsaufwand bedingen, der jederzeit auftreten kann und ein eher kurzfristiges Einschreiten einer Pflegeperson erforderlich macht


Schlagworte: Pflegegeld, Stufe 5, außergewöhnlicher Pflegeaufwand
Gesetze:

§ 4 Abs 2 BPGG, § 6 Z 1 Einstufungsverordnung

GZ 10 ObS 167/09w, 20.10.2009

Bei der Pflegebedürftigen war während des Tages eine Nachschau in Abständen von einer Stunde in der Regel ausreichend. Darüber hinaus wurde für sie auch ungefähr jede dritte Nacht eine Pflegeleistung benötigt.

OGH: Die Notwendigkeit einer "dauernden Bereitschaft, nicht aber Anwesenheit" einer Pflegeperson iSd § 6 Z 1 EinstV ist dahingehend zu verstehen, dass der Pflegebedürftige jederzeit Kontakt mit der Pflegeperson aufnehmen und diese in angemessener Zeit die erforderliche Betreuung und Hilfe leisten kann oder die Pflegeperson von sich aus in angemessenen Zeitabständen Kontakt mit dem Pflegebedürftigen aufnimmt. Es müssen Umstände vorliegen, die es erforderlich machen, dass sich eine Pflegeperson ständig in der näheren Umgebung in Bereitschaft halten muss, um jederzeit für notwendige Betreuungsmaßnahmen sorgen zu können.

Auch wenn man daher mit den Ausführungen der Revisionswerberin davon ausgeht, dass die in § 6 Z 2 und 3 EinstV angeführten Voraussetzungen für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Pflegeaufwands im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind, weil bei der Pflegebedürftigen nicht jede Nacht eine Nachschau erforderlich gewesen bzw eine Pflegeeinheit angefallen sei, so verbleibt dennoch die Prüfung der Frage, ob nicht das Vorliegen eines außergewöhnlichen Pflegeaufwands bei der Pflegebedürftigen im Hinblick auf die Notwendigkeit einer dauernden Bereitschaft einer Pflegeperson (§ 6 Z 1 EinstV) oder im Hinblick auf das Vorliegen anderer besonderer - die Pflege zusätzlich erschwerender - qualifizierender Elemente zu bejahen ist. Der OGH hat bereits entschieden, dass ein Anspruch einer Versicherten auf Pflegegeld der Stufe 5 zu bejahen ist, wenn sie während des Tages für längstens eine Stunde allein gelassen werden kann, eine Kontaktaufnahme durch die Pflegeperson somit in relativ kurzen Zeitabständen erforderlich ist und diese Pflegemaßnahmen gemeinsam mit einem in Abstand von 4 bis 5 Stunden auch während der Nacht erforderlichen Umlagern der Versicherten eine zeitliche Intensität erreichen, dass sich eine Pflegeperson in der Nähe der Versicherten aufhalten muss.

Auch wenn im konkreten Fall eine Pflegeleistung in der Nacht nur durchschnittlich jede dritte Nacht tatsächlich notwendig war, so war doch keineswegs zeitlich vorhersehbar, wann die Pflegebedürftige diese Pflegeleistung benötigte. Aus diesem Grund war für die Pflegebedürftige ein Babyphon installiert, wodurch eine ständige Rufbereitschaft einer in der Nähe der Pflegebedürftigen anwesenden Pflegeperson gegeben war. Die Klägerin konnte dadurch jederzeit durch Rufen auf sich aufmerksam machen. Durch diese ständige Rufbereitschaft einer Pflegeperson erübrigte sich eine regelmäßige Nachschau der Pflegeperson in der Nacht. In der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, es sei bei der Pflegebedürftigen das Erfordernis einer dauernden Bereitschaft der Pflegeperson und somit ein Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 5 vorgelegen, kann keine vom OGH im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden, zumal auch durch eine der Pflegebedürftigen zumutbare Einnahme des Schlafmittels in einer höheren Dosis als bisher ihre nächtlichen Verwirrtheitszustände zwar gemindert, aber nicht zur Gänze behoben werden konnten, eine ständige Rufbereitschaft der Pflegeperson aber auch im Hinblick auf einen während der Nacht möglicherweise notwendigen kurzfristigen Windelwechsel erforderlich war.