15.04.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Analoge Anwendung der §§ 3 f KautSchG

Ob es für die analoge Anwendung der §§ 3 f KautSchG ausreicht, dass der Dienstnehmer Lohnzahlungen nicht erhalten hat und eine Gefährdung seines Arbeitsplatzes als möglich erachtet ist fraglich; eine solche scheitert jedoch jedenfalls daran, dass die kreditgewährende Bank von der für den Dienstnehmer bestehenden Drucksituation nichts wusste und sie sich eine solche daher nicht zurechnen lassen muss


Schlagworte: Bürgschaft, Dienstnehmer, Aufrechterhaltung des Dienstvertrages, Nichtigkeit
Gesetze:

§ 3 KautSchG, § 4 KautSchG

GZ 9 Ob 41/09h, 15.12.2009

Der Kläger war Mitglied des Vorstands und Arbeitnehmer des Vereins, der in finanzielle Schwierigkeiten geriet und dadurch die Gehälter - darunter auch jenes des Klägers - nicht mehr zahlen konnte. Der Vorstand nahm daher bei der Beklagten einen Kredit auf, der durch zwei Bürgen, ua durch den Kläger, besichert wurde. Der Verein ging in Konkurs, weshalb die beiden Bürgen zur Zahlung verpflichtet wurden. Streitgegenständlich ist die Frage, ob die vom Kläger übernommene Bürgschaft iSd §§ 3, 4 KautSchG nichtig ist.

OGH: Nach § 3 KautSchG darf die Aufrechterhaltung eines Dienstvertrags vom Dienstgeber nicht davon abhängig gemacht werden, dass ihm vom Dienstnehmer ein Darlehen gewährt wird oder dass der Dienstnehmer sich mit einer Geldeinlage an dem Unternehmen des Dienstgebers als stiller Gesellschafter beteiligt. Verträge über Darlehen oder Geschäftsbeteiligungen, die diesem Verbot widersprechen, sind nach § 4 KautSchG nichtig. Zweck dieser Verbotsnormen ist es (ua), den Dienstnehmer davor zu schützen, dass er um der Aufrechterhaltung des Dienstvertrags willen dem Dienstgeber ein Darlehen gewährt und damit der Gefahr der Insolvenz des Dienstgebers ausgesetzt wird. Die Rsp hat den (bei wörtlicher Interpretation engen) Schutzbereich des KautSchG durch Analogie auf solche Sachverhalte erweitert, in denen eine Umgehung der Nichtigkeitssanktion dadurch versucht wurde, dass eine darlehensgewährende Bank auf der Beibringung eines Bürgen bestand, der Dienstgeber die Aufrechterhaltung des Dienstvertrags von der Bürgschaftsübernahme abhängig machte und dieser Umstand der darlehensgewährenden Bank bekannt war.

Im vorliegenden Fall hat der Dienstgeber die Aufrechterhaltung des Dienstvertrags nicht von der Übernahme der Bürgschaft durch den Kläger abhängig gemacht. Zwar trifft es zu, dass er zu diesem Zeitpunkt Lohnzahlungen nicht erhalten hatte und eine (intern diskutierte) Gefährdung seines Arbeitsplatzes als möglich erachten musste; ob das für die Annahme der analogen Anwendung des § 3 KautSchG ausreichend ist, erscheint aber fraglich. In jedem Fall scheitert die analoge Anwendung der §§ 3 f KautSchG hier aber daran, dass die kreditgewährende Bank von einer für den Kläger wegen des drohenden Verlusts seines Arbeitsplatzes bestehenden Drucksituation nichts wusste und dass sie sich eine solche Drucksituation - auch wenn sie zu bejahen wäre - daher nicht zurechnen lassen muss. Vor diesem Hintergrund ist die analoge Anwendung der Verbotsnorm des § 3 KautSchG und der in § 4 dieses Gesetzes normierten Nichtigkeitssanktion auch auf das Verhältnis des Klägers zur kreditgewährenden Bank nicht möglich.