15.04.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Zulässigkeit des Rechtsweges in Sozialrechtssachen

Für die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges ist der Wortlaut des Klagebegehrens und der in der Klage behauptete Sachverhalt maßgeblich; auf das Vorbringen des Beklagten ist grundsätzlich erst in der Sachentscheidung Bedacht zu nehmen


Schlagworte: Sozialrechtssache, Zivilprozessrecht, Zulässigkeit des Rechtsweges, Leistungssache, Anspruch, Aufrechnung, Bescheid, Klage, Pfändung, Überweisung
Gesetze:

§ 2 ASGG, § 65 ASGG, § 103 ASGG, § 308 EO

GZ 8 ObA 53/09s, 28.01.2010

OGH: Der über eine Aufrechnung (§ 103 ASVG) zu erlassende Bescheid gem § 2 ASGG kann zwar durch Klage bei Gericht angefochten werden, weil es dabei um den Bestand oder den Umfang eines Anspruches auf eine Versicherungsleistung geht, sodass eine Sozialrechtssache iSd § 65 Abs 1 Z 1 ASGG vorliegt; begründet aber im Laufe des Verfahrens die beklagte Pensionsversicherungsanstalt die Verweigerung der Auszahlung des von ihr geforderten Betrages mit einer Aufrechnung, so ändert dies nichts für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges. Dabei kommt es nämlich auf das Vorbringen des Klägers und nicht auf die Einwände der beklagten Partei an. Auf das Vorbringen der Beklagten ist grundsätzlich erst in der Sachentscheidung Bedacht zu nehmen - für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist es ohne Belang und kann nur insoweit herangezogen werden, als dadurch das Klagevorbringen verdeutlicht wird.

Eine Leistungssache liegt auch nicht vor, wenn die Klage nie iSe Bescheidklage nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG modifiziert wurde und der Kläger bis zuletzt die im Laufe des Verfahrens aufgestellte Behauptung der Beklagten, sie habe einen Bescheid über die Aufrechnung erlassen, in Frage stellt. Dass allerdings auch ohne Erlassung eines Aufrechnungsbescheides eine Leistungssache vorliege, ist unzutreffend.

Im Übrigen wird durch die Pfändung einer Forderung die Natur des Anspruches nicht verändert. Die Überweisung zur Einziehung berechtigt den betreibenden Gläubiger nämlich gem § 308 EO lediglich, die Forderung so geltend zu machen, wie sie dem Verpflichteten gegen den Drittschuldner zusteht. Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch (hier: gesetzlicher Pensionsanspruch) wird durch die Pfändung und Überweisung nicht zu einem privatrechtlichen. Die Frage, an wen von einer Behörde, die über einen öffentlich-rechtlichen Anspruch entschieden hat, der Bescheid herauszugeben bzw zuzustellen ist, wird durch die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts geregelt und ist daher dem öffentlich-rechtlichen Verfahren zuzurechnen.