10.06.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Kann einem Lehrling die Qualifikation als Aufseher im Betrieb iSd § 333 Abs 4 ASVG zukommen?

Für die Qualifikation als Aufseher im Betrieb iSd § 333 Abs 4 ASVG ist maßgeblich, dass der betreffende Mitarbeiter eine mit einer gewissen Selbständigkeit verbundene Stellung oder wenigstens eine Leitungsbefugnis hinsichtlich eines bestimmten Arbeitsgangs einer bestimmten Arbeitspartie zur Zeit des Unfalls innehat; nicht entscheidend ist jedoch die Rangordnung, die diesem Mitarbeiter im Betrieb zukommt


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Dienstgeberhaftungsprivileg, Aufseher, Lehrling
Gesetze:

§ 333 Abs 4 ASVG

GZ 8 ObA 3/10i, 23.03.2010

OGH: Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch einem Lehrling die Qualifikation als Aufseher im Betrieb iSd § 333 Abs 4 ASVG zukommen. Dafür ist maßgeblich, dass der betreffende Mitarbeiter eine mit einer gewissen Selbständigkeit verbundene Stellung oder wenigstens eine Leitungsbefugnis hinsichtlich eines bestimmten Arbeitsgangs einer bestimmten Arbeitspartie zur Zeit des Unfalls innehat. Nicht entscheidend ist jedoch die Rangordnung, die diesem Mitarbeiter im Betrieb zukommt. Auch auf eine allfällige größere Fachkenntnis des untergeordneten Mitarbeiters kommt es nicht an. Die Frage, ob der betreffende Mitarbeiter nach diesen Grundsätzen als Aufseher im Betrieb anzusehen ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.

Die Überlegung des Klägers (Maschinist), dem Beklagten sei es als Lehrling - zumindest ohne Einschulung bzw ohne Aufsicht - verboten gewesen, gefährliche Wartungsarbeiten wie den Austausch der Kette vorzunehmen, weshalb dieser eigenmächtig gehandelt habe, ist nicht stichhaltig. Für die Beurteilung der Stellung des Beklagten im Verhältnis zum Kläger kommt es nicht auf die nach Maßgabe der Ausbildungsvorschriften rechtliche Zulässigkeit der ausgeübten Tätigkeit, sondern auf die betriebsorganisatorische Aufgabenverteilung und Arbeitseinteilung an. Nach den Feststellungen handelte es sich beim Kettenwechsel um eine Tätigkeit, die der Beklagte im Betrieb auch allein ausführen durfte. Seine betriebsorganisatorische Weisungsbefugnis resultiert aus seiner Funktion als Mitglied des Wartungsteams.

Mit den Ausführungen, wonach der Beklagte lediglich berechtigt gewesen sei, die Kette anzufertigen und zum Montageplatz zu bringen, weicht der Kläger von den getroffenen Feststellungen ab. Selbst wenn man davon ausginge, der Beklagte hätte die Rückkehr des Gesellen abwarten müssen, ändert dies nichts an der vom Berufungsgericht angenommenen grundsätzlichen Weisungsbefugnis der Mitglieder des Wartungsteams gegenüber den am Vakuumheber arbeitenden Maschinisten.