17.06.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Kann die Ablehnung der Kostenübernahme für ein verordnetes Heilmittel durch eine Feststellungsklage beim Arbeits- und Sozialgericht bekämpft werden?

Die Ablehnung der Kostenübernahme für ein verordnetes Heilmittel kann durch eine Feststellungsklage beim Arbeits- und Sozialgericht bekämpft werden


Schlagworte: Feststellungsklage, Ablehnung der Kostenübernahme für verordnetes Heilmittel
Gesetze:

§ 228 ZPO, § 65 ASGG

GZ 10 ObS 21/10a, 23.03.2010

Die Klägerin hat sich das ihr von einem Vertragsarzt der beklagten Partei verschriebene Heilmittel "Hyalgan" bisher nicht beschafft, weil sie aus finanziellen Gründen zur Vorfinanzierung dieses Heilmittels nicht in der Lage ist. Das Klagebegehren der Klägerin ist daher auch nicht auf Kostenerstattung, sondern auf Übernahme der Kosten für dieses Heilmittel gerichtet. Es ist daher im Folgenden die in der Rsp des OGH bisher nicht einheitlich beurteilte Frage zu prüfen, ob ein solches Begehren auf Übernahme der Kosten eines Heilmittels zulässig ist.

OGH: Der OGH bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass gem § 65 Abs 2 ASGG unter die Sozialrechtssachen - in allen in § 65 Abs 1 ASGG erfassten Rechtssachen - auch Klagen auf Feststellung fallen. Voraussetzung dafür ist gem § 228 ZPO ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines Rechts oder Rechtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage nach § 65 Abs 2 ASGG setzt aufgrund der sukzessiven Kompetenz jedenfalls auch einen Bescheid voraus, der über ein Feststellungsbegehren des Versicherten abgesprochen hat. Wurde mit einem Bescheid über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs entschieden, so steht dem Betroffenen die seinem Rechtsanspruch entsprechende Feststellungsklage offen, wenn eine Leistungsklage nicht in Betracht kommt. Dabei resultiert das rechtliche Interesse des Betroffenen im Allgemeinen schon daraus, dass der Sozialversicherungsträger die gegenteilige Feststellung getroffen hat und dieser Bescheid mangels Bekämpfung im Klageweg bindende Wirkung entfalten würde.

Im Sinne dieser Ausführungen hat der erkennende Senat in der Entscheidung 10 ObS 119/08k im Fall einer EU-Auslandskrankenbehandlung ausgesprochen, dass der Versicherte den Bescheid des Krankenversicherungsträgers über das Nichtbestehen eines Anspruchs auf Krankenbehandlung in einem anderen Mitgliedstaat mittels Feststellungsklage bekämpfen könne. Dabei liege das rechtliche Interesse des Betroffenen - wie erwähnt - im Allgemeinen schon darin, dass der Krankenversicherungsträger die gegenteilige Feststellung getroffen hat und dieser Bescheid bei mangelnder Bekämpfbarkeit im Klageweg bindende Wirkung zum Nachteil des Betroffenen entfalten würde. Andererseits führe der Erfolg einer solchen Feststellungsklage des Versicherten zur rechtskräftigen und damit für einen allfälligen Nachfolgeprozess wegen Kostenerstattung zwischen den Parteien bindenden Feststellung, dass die Voraussetzungen für eine Krankenbehandlung des Versicherten in einem anderen Mitgliedstaat nach der einschlägigen Bestimmung der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 vorlagen.

Diese soeben dargelegten Grundsätze sind nach Ansicht des erkennenden Senats auch im vorliegenden Fall zu berücksichtigen. Wurde - wie hier - vom Versicherungsträger mit einem Bescheid über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs des Versicherten auf Kostenübernahme für ein Heilmittel entschieden, so steht dem Betroffen nach der Rsp des OGH die seinem Rechtsstandpunkt entsprechende Feststellungsklage offen, wenn eine Leistungsklage (noch) nicht in Betracht kommt. Eine auf Kostenerstattung gerichtete Leistungsklage kommt im vorliegenden Fall (noch) nicht in Betracht, weil die Klägerin das ihr von einem Facharzt verordnete Heilmittel nicht bezogen (und bezahlt) hat. Auch in diesem Fall ist aber eine Feststellungsklage des Versicherten darüber, dass eine Leistungspflicht des Krankenversicherungsträgers (über den Gesamtvertrag und den Erstattungskodex hinaus) besteht, zulässig. Nur dadurch kann der letztlich vom Gericht zu klärende gesetzliche Anspruch des Versicherten auf alle Heilmittel, sofern nur die Kriterien des § 133 Abs 2 ASVG erfüllt sind, verwirklicht werden. Dabei ist nämlich zu bedenken, dass der Krankenversicherungsträger die Kostenübernahme auch zu Unrecht abgelehnt haben könnte. Würde man die Ansicht vertreten, dass gegen die Ablehnung der vom Versicherten beantragten Kostenübernahme nur eine Klage auf Kostenerstattung zulässig wäre, könnte in einem Fall wie dem vorliegenden der Krankenbehandlungsanspruch des Versicherten in unzulässiger Weise ausgehöhlt werden. Auch dieser Umstand spricht dafür, dass auch die Ablehnung der Kostenübernahme für ein verordnetes Heilmittel durch eine Feststellungsklage beim Arbeits- und Sozialgericht bekämpft werden kann. Für diese Rechtsansicht spricht weiters, dass auch die Verweigerung der Genehmigung eines Heilmittels durch den Chefarzt über Bescheidklage des Versicherten gerichtlich überprüfbar ist (vgl § 350 Abs 3 ASVG). Schließlich kann der Erfolg einer solchen Feststellungsklage des Versicherten zur rechtskräftigen und damit bei unveränderter Sach- und Rechtslage für einen allfälligen Nachfolgeprozess wegen Kostenerstattung zwischen den Parteien bindenden Feststellung führen, dass die Voraussetzungen für eine Übernahme der Kosten des Heilmittels durch den Krankenversicherungsträger vorlagen. Das zulässige Klagebegehren der Klägerin richtet sich daher im vorliegenden Fall auf die Feststellung, dass der Anspruch auf Kostenübernahme für das am 24. 2. 2009 von Dr. Thomas P*****, Facharzt für Orthopädie in Graz, verordnete Präparat "Hyalgan SprAmp 2 ml 5 St" zu Recht bestehe. Die vom erkennenden Senat in der jüngeren Rsp (vgl insb 10 ObS 36/09f) vertretene und von den dargelegten Grundsätzen abweichende Rechtsansicht wird daher nicht mehr aufrechterhalten.