17.06.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Berufsschutz nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG - Umschulung / Nachschulung

Eine betriebsinterne Zusatzausbildung von sechs Wochen bis drei Monaten hält sich im Rahmen dessen, was einem versicherten Dienstnehmer als Nach- und nicht als Umschulung zugemutet werden kann


Schlagworte: Invalidität, Berufsschutz, erlernter / angelernter Beruf, Verweisbarkeit
Gesetze:

§ 255 ASVG

GZ 10 ObS 51/10p, 13.04.2010

OGH: Für die Beurteilung der Verweisbarkeit kommt es auf den tatsächlichen Inhalt der erlernten oder angelernten Tätigkeit an. Bei der Prüfung der Verweisbarkeit ist davon auszugehen, dass einem überwiegend in einem erlernten oder angelernten Beruf tätig gewesenen Versicherten nicht zugemutet werden kann, Kenntnisse und Fähigkeiten in einem wegen unähnlicher Ausbildung und anderer zur Ausübung erforderlicher Kenntnisse und Fähigkeiten fremden Beruf zu erwerben, weil es sich dann um die Ausbildung für einen neuen Beruf (Umschulung) handeln würde; geht es hingegen bloß um eine Nachschulung, so beziehen sich deren Maßnahmen nur auf die Weiterentwicklung der Spezialisierung im bisherigen Beruf. Eine Nachschulung, um die Kenntnisse an die sich ändernden Berufsanforderungen, insbesondere an die Arbeitsmethoden, Werkstoffe, Verfahrensmethoden, Apparate und Instrumente anzupassen, muss aber gefordert werden, weil dies der Hebung der beruflichen Leistungsfähigkeit durch Vervollkommnung der Fachkenntnisse (auf einem Teilgebiet) dient. Bei durch Nachschulungsmaßnahmen erwerbbaren Kenntnissen und Fähigkeiten handelt es sich um solche, die bei Versicherten, die im selben erlernten oder angelernten Beruf tätig sind und ihre Fachkenntnisse an die sich ändernden Berufsanforderungen angepasst haben, vorhanden sein müssen und auf dem Arbeitsmarkt von solchen Facharbeitern üblicherweise verlangt werden. Es ist stRsp des OGH zu § 255 Abs 1 und 2 ASVG, dass eine betriebsinterne Zusatzausbildung von sechs Wochen bis drei Monaten sich im Rahmen dessen hält, was einem versicherten Dienstnehmer als Nach- und nicht als Umschulung zugemutet werden kann.

Nach den Feststellungen kann die Klägerin bei der Ausübung von qualifizierten Tätigkeiten der Qualitätsprüfung (Verweisungstätigkeiten) den Kernbereich ihrer im bisherigen Beruf erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten verwerten; sie benötigt nur eine betriebsinterne Zusatzausbildung von sechs Wochen bis drei Monaten, um die qualifizierten Tätigkeiten ausüben zu können.

Nach der Rsp des OGH reicht eine Anzahl von zumindest 100 Arbeitsplätzen in einer Verweisungstätigkeit in Österreich für die Annahme eines Arbeitsmarkts.