01.07.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Fehlende Beschäftigungsbewilligung - zur Frage, ob gem § 29 Abs 2 AuslBG im Fall einer diskriminierenden Entlassung ein Anspruch auf Kündigungsentschädigung unter Einbeziehung des besonderen Bestandschutzes nach dem MSchG gebührt

Dass der Betriebsinhaber das Beschäftigungsverhältnis nicht unter Hinweis auf dessen Nichtigkeit sondern - in diskriminierender Weise - unter Hinweis auf die Schwangerschaft der Ausländerin beendete, vermag nichts daran zu ändern, dass auf einen (nach der klaren Anordnung des Gesetzes) Bestandschutz nach dem MSchG bei der Berechnung der Ansprüche der Ausländerin nicht Bedacht genommen werden kann


Schlagworte: Ausländerbeschäftigungsrecht, Ansprüche des Ausländers, fehlende Beschäftigungsbewilligung, besonderer Kündigungs- / Entlassungsschutz, Schwangerschaft
Gesetze:

§ 29 Abs 2 AuslBG, MSchG

GZ 8 ObA 58/09a, 22.04.2010

Das Berufungsgericht vertritt die Rechtsauffassung, § 29 Abs 2 Satz 2 AuslBG sei europarechtskonform dahingehend einzuschränken, dass die dort normierte Begrenzung des Schadenersatzanspruchs durch Ausklammerung der besonderen Bestandschutzbestimmungen der §§ 10 - 12 MSchG nur dann zum Tragen käme, wenn die Kündigung oder Entlassung unter Bezugnahme auf die Nichtigkeit des Arbeitsverhältnisses erfolge, nicht aber, wenn die Entlassung - wie hier - ausdrücklich wegen der Schwangerschaft der Klägerin ausgesprochen wurde.

OGH: § 29 Abs 2 Satz 1 AuslBG normiert, dass der Arbeitnehmer für den Fall, dass den Betriebsinhaber ein Verschulden am Fehlen der Beschäftigungsbewilligung trifft, auch bezüglich der Ansprüche aus der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses so zu stellen ist, als ob er aufgrund eines gültigen Arbeitsvertrags beschäftigt gewesen wäre. Aufgrund der Fiktion dieser Bestimmung erhält der Ausländer in diesen Fällen Ersatzansprüche wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses wie ein vergleichbarer Inländer, daher - unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen - ein Surrogat für die fehlenden vertraglichen Beendigungsansprüche. Der Ausländer behält seine Ansprüche aus § 29 Abs 2 AuslBG, wenn ihn kein Verschulden oder nur Fahrlässigkeit an der Unerlaubtheit der Beschäftigung trifft. Zutreffend hat das Berufungsgericht jedoch ausgeführt, dass er sie nach herrschender Auffassung verliert, wenn er vorsätzlich handelte.

Die Klägerin bestreitet nicht, dass sie Ausländerin iSd § 2 AuslBG ist und für den Zeitraum ihres Beschäftigungsverhältnisses über keine Beschäftigungsbewilligung verfügt hat. Sie stützt ihren Schadenersatzanspruch demgemäß auf § 29 Abs 2 AuslBG.

Ein Arbeitsvertrag, der ohne Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung (bzw Arbeitserlaubnis) zwischen einem inländischen Arbeitgeber und einem ausländischen Arbeitnehmer geschlossen wird, ist gem § 879 ABGB nichtig. Daher hat der Arbeitgeber die auf der Grundlage eines solcherart nichtigen Arbeitsvertrags erfolgte Beschäftigung des Ausländers sofort zu beenden. § 29 Abs 2 AuslBG will in diesem Fall den Ausländer bei Verschulden des Betriebsinhabers bezüglich der Ansprüche aus der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses einem inländischen Arbeitnehmer gleichstellen. Der Betriebsinhaber soll aus der unerlaubten Beschäftigung des Ausländers weder finanzielle noch sonstige Vorteile ziehen, überdies soll er keine Vorteile gegenüber anderen Arbeitgebern, die die gesetzlichen Bestimmungen einhalten, erlangen. Der letzte Satz des § 29 Abs 2 AuslBG normiert dabei ausdrücklich, dass bei der Berechnung der Ansprüche des Ausländers auf den besonderen Kündigungsschutz nicht Bedacht zu nehmen ist. Schließlich ist der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses wegen des Fehlens der Beschäftigungsbewilligung rechtlich unmöglich; daher kann auch im Rahmen des § 29 Abs 2 AuslBG auf ihn nicht Bedacht genommen werden.

Den Bestimmungen des MSchG ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. § 11 MSchG sieht zwar iZm der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmerinnen vor, dass der Ablauf der Beschäftigungsbewilligung (der Arbeitserlaubnis, des Befreiungsscheins) einer Ausländerin im Fall der Schwangerschaft und der Entbindung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt wird, in dem ihr Arbeitsverhältnis nach den dafür bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Regeln rechtsgültig beendet werden kann. Damit ist sichergestellt, dass das zunächst gültig zustande gekommene Arbeitsverhältnis bis zum Ende der normierten Ablaufhemmung nicht nichtig wird. Hier geht es aber nicht um den Wegfall einer zunächst vorhandenen Beschäftigungsbewilligung, sondern darum, dass die Klägerin von Anfang an über keine Beschäftigungsbewilligung verfügte und daher das Arbeitsverhältnis nicht wirksam zustande kam, sondern von Anfang an nichtig war. In einem solchen Fall greift daher der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz nach dem MSchG nicht. Dass die Beklagte das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin nicht unter Hinweis auf dessen Nichtigkeit sondern - in diskriminierender Weise - unter Hinweis auf die Schwangerschaft der Klägerin beendete, vermag nichts daran zu ändern, dass auf einen (nach der klaren Anordnung des Gesetzes) Bestandschutz nach dem MSchG bei der Berechnung der Ansprüche der Klägerin nicht Bedacht genommen werden kann.