08.07.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Witwenpension - § 264 Abs 3 und Abs 4 ASVG verfassungswidrig?

Der VfGH hat den Antrag, § 264 Abs 3 und 4 ASVG in der Fassung BGBl I 2006/130 als verfassungswidrig aufzuheben, abgewiesen


Schlagworte: Witwenpension, Berechnungsgrundlage, letzten 2 / 4 Kalenderjahre vor Zeitpunkt des Todes, keine Verfassungswidrigkeit
Gesetze:

§ 264 ASVG

GZ 10 ObS 57/10w, 04.05.2010

Das Argument, auf das die Klägerin ihre verfassungsrechtlichen Bedenken stützt, ist, dass die derzeitige Regelung der Witwenpension zu einem unsachlichen Eingriff in das Eigentum führe, der insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes beachtlich sei. Der kurze Beobachtungszeitraum des § 264 Abs 3 und 4 ASVG führe nämlich dazu, dass Personen, die vor ihrem Tod wenig verdient haben und Personen, die jahrzehntelang Höchstbeiträge - auch im Hinblick auf die Finanzierung einer Hinterbliebenenpension - geleistet haben, gleich behandelt werden. Die Novellen des ASVG, die zur Verkürzung des Beobachtungszeitraums für die Ermittlung der Berechnungsgrundlagen geführt haben, bewirken somit einen unsachlichen und ungerechtfertigten Eingriff in bereits erworbene Anwartschaften bzw den Vertrauensschutz.

OGH: Im Hinblick auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit hat der OGH beim VfGH den Antrag gestellt, § 264 Abs 3 und 4 ASVG in der Fassung BGBl I 2006/130 als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit Erkenntnis vom 11. 3. 2010, G 228/09-9, hat der VfGH den Antrag abgewiesen.

Kurz zusammengefasst vertritt der VfGH in der Begründung seines Erkenntnisses die Ansicht, dass das System der Pensionsversicherung nach dem ASVG nicht allein auf dem Versicherungsprinzip beruht, sondern auch - im Besonderen in der Hinterbliebenenversorgung - auf dem Versorgungsgedanken. Der Gesetzgeber kann daher, ohne mit dem Gleichheitsgrundsatz in Widerspruch zu geraten, bei der Gestaltung des Leistungsrechts auch sozialpolitische Ziele verwirklichen und dabei eine Durchschnittsbetrachtung anstellen. Es kann nicht gesagt werden, dass die Rahmenzeiträume von zwei oder vier Jahren iVm dem dabei vorgesehenen Günstigkeitsprinzip eine größere Zahl von "Härtefällen" zulässt als dies bei einer längeren Frist der Fall wäre, weil es mit jeder Verlängerung der Frist ebenso denkbar ist, dass gerade damit Einkommenssituationen in die Betrachtung einbezogen werden, die für den Anspruch auf eine Witwenpension ebenso ungünstig sind (insbesondere durch die wahrscheinlichere Einbeziehung von Erwerbseinkünften). Dazu kommt, dass der anzustellende Vergleich der wirtschaftlichen Verhältnisse auch dadurch "verzerrt" werden kann, dass derartige Änderungen in den Einkünften aus schicksalhaften Ereignissen im Betrachtungszeitraum auch bei der hinterbliebenen Person vorkommen können und diesfalls die hinterbliebene Person begünstigende Auswirkungen auf den Hinterbliebenenpensionsanspruch haben. Insgesamt können vom Gesetzgeber nicht durch eine ganz bestimmte Grenzziehung Härtefälle vermieden werden. Möglichen Härtefällen hat der Gesetzgeber jedenfalls dadurch eine bedeutsame Schranke gesetzt, als das aus dem eigenen Einkommen und der Hinterbliebenenpension gebildete Gesamteinkommen der Witwe bzw des Witwers nicht unter den in § 264 Abs 6 ASVG vorgesehenen Schutzbetrag von 1.671,20 EUR monatlich sinken kann. Angesichts dessen hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 264 Abs 3 und 4 ASVG über die Vergleichszeiträume den ihm im Pensionsversicherungsrecht zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten.