22.07.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Frage, inwieweit durch Zahlung der sich aus dem Zahlungsplan ergebenden Quote ein vollständiger Erwerb von Versicherungszeiten nach § 115 Abs 1 Z 1 GSVG herbeigeführt werden kann

Wird im Rahmen eines Zahlungsplans eine aufgrund einer Versicherung nach dem GSVG bestehende Beitragsschuld nur mit der Quote bezahlt, so ist für die Ermittlung der Beitragszeiten nach § 115 Abs 1 Z 1 GSVG auch nur der der Quote entsprechende Teil der Beitragszahlung heranzuziehen


Schlagworte: Gewerbliches Sozialversicherungsrecht, Beitragszeiten, Insolvenzrecht, Zahlungsplan, Restschuldbefreiung
Gesetze:

§ 115 Abs 1 Z 1 GSVG, § 38 GSVG, § 214 IO

GZ 10 ObS 56/10y, 04.05.2010

Strittig ist die Frage, ob der am 2. 12. 1946 geborene Kläger für den Zeitraum Dezember 2003 bis Juli 2006 Beitragszeiten gem § 115 Abs 1 Z 1 GSVG erworben hat.

Mit Beschluss des LG Linz vom 14. 7. 2006 wurde über das Vermögen des Klägers das Konkursverfahren eröffnet. Die beklagte Partei meldete im Konkursverfahren eine Konkursforderung für offene Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 1. 11. 2003 bis 14. 7. 2006 iHv 10.209,55 EUR an, die zur Gänze anerkannt wurde. Der im November 2006 geschlossene Zahlungsplan über eine Quote von 10,85 % der Forderungen, zahlbar in 7 Raten von je 1,55 %, wurde rechtskräftig bestätigt. Der Kläger überwies im Rahmen des Zahlungsplans am 1. 11. 2007 und am 1. 11. 2008 je eine Quote von 1,55 % sowie am 24. 11. 2008 die restliche Quote von 7,75 % an die beklagte Partei, sodass der Zahlungsplan gegenüber der beklagten Partei am 24. 11. 2008 zur Gänze erfüllt war.

Der Kläger macht geltend, dass nach Erfüllung des Zwangsausgleichs (Zahlungsplans) der vom Schuldner nicht bezahlte Schuldenrest als Naturalobligation erhalten bleibe, welche von den Gläubigern weder eingeklagt noch verrechnet werden könne. Im gegenständlichen Fall habe jedoch das Berufungsgericht eine derartige unzulässige Verrechnung vorgenommen, wenn dem Kläger vorgehalten werde, durch die Quotenzahlung sei (nur) der Beitrag für den Monat November 2003 zur Gänze entrichtet worden, während für die Monate Dezember 2003 bis Juli 2006 die Beiträge nicht entrichtet worden seien. Es sei eine logische Folge der Restschuldbefreiung gem § 214 KO (nun IO), dass die Bezahlung einer Quote als wirksame Beitragsleistung iSd § 115 GSVG zu qualifizieren sei.

OGH: Strittig ist allein die Frage, ob sich diese Restschuldbefreiung auch dahin auswirkt, dass durch die Zahlung der im Zahlungsplan festgelegten Quote auch eine wirksame Beitragserrichtung iSd § 115 Abs 1 Z 1 GSVG für den noch strittigen Zeitraum Dezember 2003 bis Juli 2006 vorliegt.

Gem § 115 Abs 1 Z 1 GSVG sind Zeiten der Beitragspflicht nach diesem Bundesgesetz oder nach dem Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz als Beitragszeiten anzusehen, wenn die Beiträge wirksam (§ 118 GSVG) entrichtet worden sind. Obwohl somit auch die Pensionsversicherung nach dem GSVG auf dem Grundsatz der von Gesetzes wegen eintretenden Pflichtversicherung aufgebaut ist und der Beginn der Pflichtversicherung nicht von der Erstattung der Anmeldung abhängt, genügt es für den Anspruch auf die Leistung nicht, dass während einer bestimmten Dauer der Erwerbstätigkeit von Gesetzes wegen Pflichtversicherung bestanden hat; erst die tatsächliche Entrichtung der Beiträge für einen bestimmten Zeitraum qualifiziert die betreffende Zeit im Leistungsrecht als Beitragszeit. Zeiten der Beitragspflicht sind somit erst nach wirksamer Entrichtung der Beiträge Beitragszeiten. Unwirksame Beiträge wirken sich auf die Pension nicht aus, und zwar weder auf den Pensionsanspruch noch auf die Pensionshöhe.

In Bezug auf die Pensionshöhe hat daher der OGH in seiner Entscheidung 10 ObS 222/89 zu der vergleichbaren Regelung im BSVG ausgeführt, dass bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den Pensionsanspruch Beitragsgrundlagen nur zu berücksichtigen seien, wenn die hierauf beruhenden Beiträge vollständig und wirksam entrichtet worden seien. Es sei anzunehmen, dass der Gesetzgeber an den Fall, in dem die Beiträge zwar nicht vollständig entrichtet worden seien, in dem die Beitragsschuld aber durch den gerichtlichen Ausgleich erloschen sei, nicht gedacht habe. Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung hiefür bilde somit eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes, die durch Analogie zu schließen sei. Da für diese Analogie ein einzelner gesetzlicher Tatbestand nicht in Betracht komme, müsse im Weg der Rechtsanalogie auf die aus dem BSVG hervorgehenden allgemeinen Rechtsgrundsätze Bedacht genommen werden. Hiezu gehöre aber der Grundsatz, dass die Höhe der Pension von der Höhe der entrichteten Beiträge abhänge. Die analoge Anwendung dieser Grundsätze auf den Fall des gerichtlichen Ausgleichs führe dazu, dass die Bemessungsgrundlage für die nach dem BSVG gebührende Pension ermittelt werden müsse, als ob Beiträge in der Höhe zu entrichten gewesen wären, wie sie aufgrund des Ausgleichs entrichtet worden seien, dass also nur der der Ausgleichsquote entsprechende Teil der Beitragsgrundlage für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage herangezogen werde.

Diese in der Entscheidung 10 ObS 222/89 für die Pensionshöhe dargelegten Grundsätze müssen nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts wegen der unmittelbaren Vergleichbarkeit der Sach- und Rechtslage auch auf die hier zu beurteilende Frage, inwieweit durch die Zahlung der sich aus dem Zahlungsplan ergebenden Quote Beitragszeiten nach § 115 Abs 1 Z 1 GSVG erworben wurden, Anwendung finden. Wird daher im Rahmen eines Zahlungsplans eine aufgrund einer Versicherung nach dem GSVG bestehende Beitragsschuld nur mit der Quote bezahlt, so ist für die Ermittlung der Beitragszeiten nach § 115 Abs 1 Z 1 GSVG auch nur der der Quote entsprechende Teil der Beitragszahlung heranzuziehen. Da somit auch für die Frage der Ermittlung der Beitragszeiten nach dieser Gesetzesstelle nur die tatsächlich geleisteten Beiträge als wirksame Beiträge gewertet werden können, hat der Kläger, der mit seiner Zahlung zwar seine Beitragsschuld für November 2003 zur Gänze, nicht aber auch die Beitragsschuld für die anderen Monate Dezember 2003 bis Juli 2006 abgedeckt hat, für diesen hier allein noch strittigen Zeitraum von Dezember 2003 bis Juli 2006 keine Versicherungszeiten (Beitragsmonate iSd § 115 Abs 1 Z 1 GSVG) erworben. Damit erfüllt der Kläger aber unbestritten nicht die Voraussetzungen für die von ihm begehrte Pensionsleistung.

Gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 115 Abs 1 Z 1 GSVG, wonach Zeiten der Beitragspflicht erst nach wirksamer Entrichtung der Beiträge Beitragszeiten sind, bestehen keine Bedenken. Auch die Tatsache, dass bei Nichtentrichtung oder verspäteter Entrichtung von Beiträgen nach dem GSVG leistungsrechtliche Nachteile eintreten, während nach der Regelung des § 225 Abs 1 Z 1 lit a ASVG im Fall der Anmeldung zur Versicherung binnen 6 Monaten nach Beginn der Beschäftigung bzw des Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses die Zeit der versicherungspflichtigen Beschäftigung jedenfalls als Beitragszeit gilt, auch wenn Beiträge nicht entrichtet worden sind, hat ihren Grund darin, dass die Beitragsleistung nach dem ASVG dem Dienstgeber obliegt und der Dienstnehmer vor Nachteilen durch Versäumnisse, die ihm nicht zugerechnet werden können, geschützt werden soll. Dieser Unterschied ist sachlich begründet und daher entgegen der Ansicht des Klägers verfassungsrechtlich unbedenklich.