12.08.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in § 145 Abs 2 bis Abs 6a GSVG festgelegte Berechnungsmethode für den Anspruch auf Hinterbliebenenpension?

Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, dass grundsätzlich auf die Versorgungslage zum Todeszeitpunkt des Versicherten abgestellt wird und nachfolgende Einkommensänderungen unberücksichtigt bleiben


Schlagworte: Gewerbliches Sozialversicherungsrecht, Witwen(Witwer)pension, Berechnungsmethode, Versorgungslage zum Todeszeitpunkt, nachfolgende Einkommensänderungen
Gesetze:

§ 145 GSVG

GZ 10 ObS 48/10x, 01.06.2010

OGH: Die Witwen(Witwer-)pension hat nach der Rsp des VfGH und des OGH die Aufgabe, den Lebensunterhalt der Witwe bzw des Witwers in der Weise zu gewährleisten, dass dem Hinterbliebenen "auch nach dem Ableben des Ehepartners eine dem zuletzt erworbenen Lebensstandard nahe kommende Versorgung gesichert ist". Daher kann die Verminderung oder Nichtgewährung der Hinterbliebenenpension sachlich gerechtfertigt sein, wenn dieser Lebensstandard auch dann noch nahezu gesichert ist. Die Witwen(Witwer-)pension soll daher den Unterhaltsausfall ausgleichen, der in einer partnerschaftlichen Ehe durch den Tod eines Ehepartners entsteht. Der Zweck der Witwen(Witwer-)pension liegt somit darin, jenen Witwen (Witwern), die weniger als ihr Ehepartner verdient haben, nach dessen Tod einen Unterhaltsersatz zu gewähren. Stirbt der unterhaltspflichtige Ehepartner, so soll der Entfall der Unterhaltsleistung - zumindest teilweise - durch die Witwen(Witwer-)pension abgedeckt werden. Dagegen, dass die Witwen(Witwer-)pension aufgrund eines Einkommensvergleichs, der auf das tatsächliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit oder Pension abstellt, bemessen wird, bestehen daher aus Sicht des OGH keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Wie der erkennende Senat bereits ausgesprochen hat, besteht für den Gesetzgeber ein weiter Spielraum, was er als Einkommen bezeichnet, das für die Ermittlung der Hinterbliebenenpension relevant ist. Dem Gesetzgeber ist es daher zB unbenommen, bei der Ermittlung der Hinterbliebenenpension nur Einkommen aus unselbständiger bzw selbständiger Erwerbstätigkeit bzw alle wiederkehrende Geldleistungen der Sozialversicherung sowie öffentliche Bezüge, Pensionen und Renten, nicht aber beispielsweise Privatvorsorgen anzurechnen. Nichts anderes kann für die Frage der Einbeziehung bestimmter Einkommensteile, die bei der Ermittlung des relevanten Einkommens im Beobachtungszeitraum zu berücksichtigen sind, gelten. Es steht daher dem Gesetzgeber des GSVG durchaus frei, innerhalb der von der Verfassung gezogenen Grenzen einen eigenständigen Entgeltbegriff zu normieren. Demgemäß bestehen dagegen, dass unter dem Begriff "Einkommen" iSd § 145 Abs 5 GSVG das Erwerbseinkommen (Entgelt, steuerliche Einkünfte) iSd § 60 Abs 1 GSVG zu verstehen ist, keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies müsste in gleicher Weise auch dann gelten, wenn der erreichte Lebensstandard beispielsweise allein auf nicht beitragsrechtlich relevantes Einkommen (zB Mietzinseinkünfte) zurückzuführen wäre.

Es begegnet im Hinblick auf den Zweck der Witwen(Witwer-)pension, den Unterhaltsausfall auszugleichen, der in einer partnerschaftlichen Ehe durch den Tod eines Ehepartners entsteht, aber auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass dazu grundsätzlich auf die Versorgungslage zum Todeszeitpunkt des Versicherten abgestellt wird und nachfolgende Einkommensänderungen grundsätzlich unberücksichtigt bleiben. Nach der Aufhebung sämtlicher Ruhensbestimmungen durch das Erkenntnis des VfGH vom 15. 12. 1990, G 33/89 ua, verzichtete der Gesetzgeber offenbar bewusst auf eine Ruhensbestimmung für den Fall eines erst späteren Bezugs an Erwerbseinkommen durch den hinterbliebenen Ehegatten. Ebenso sieht das Gesetz (von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen des § 145 Abs 6 und Abs 6a GSVG abgesehen) keine Erhöhung des Hundertsatzes vor, wenn ein zum Stichtag bezogenes Erwerbseinkommen des hinterbliebenen Ehegatten zu einem späteren Zeitpunkt wegfällt. Die Witwen(Witwer-)pension soll als - vom Verstorbenen abgeleitete - Versorgungsleistung nur insoweit anfallen, als nicht ein Eigeneinkommen des hinterbliebenen Ehegatten eine weitgehende Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards sicherzustellen vermag. Durch den variablen Prozentsatz der Pensionsleistung soll eine Überversorgung des hinterbliebenen Ehegatten durch das Zusammentreffen von Eigenpension und Hinterbliebenenpension vermieden werden.

Da sich das eigene Einkommen des hinterbliebenen Ehegatten während des Pensionsbezugs verändern kann, hat der Gesetzgeber, um den Versorgungscharakter der Hinterbliebenenpension sicherzustellen, in § 145 Abs 6 GSVG eine laufende untere Gesamteinkommenssicherung und in § 145 Abs 6a GSVG eine laufende obere Einkommensbegrenzung vorgesehen. Gegen den Umstand, dass innerhalb dieser Bandbreite eine nachträgliche Veränderung des Einkommens des hinterbliebenen Ehegatten zu keiner Erhöhung oder Herabsetzung des Pensionsbezugs führt, bestehen nach Ansicht des erkennenden Senats keine verfassungsrechtlichen Bedenken.