12.05.2006 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Es ist zulässig, das Entlassungsrecht mit einem weiten Ermessen einem dafür auch verantwortlichen "Dritten" zu übertragen


Schlagworte: Arbeitsverfassungsrecht, Entlassung, Disziplinarkommission
Gesetze:

§§ 96 Abs 1 Z1, 102 ArbVG, § 879 ABGB

In seinem Erkenntnis vom 22.02.2006 zur GZ 9 ObA 50/05a hat sich der OGH mit der Thematik der Entlassung befasst:

Der Kläger war als Vertragsbediensteter (seit 1998 unkündbar gestellt) bei den Verkehrsbetrieben als Autobuslenker beschäftigt. Nach wiederkehrenden Pflichtverletzungen wurde mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.

Dazu der OGH: Kündigungen und Entlassungen sind nicht als Disziplinarmaßnahme iSd § 102 ArbVG anzusehen und können damit auch nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung nach § 96 Abs 1 Z 1 ArbVG sein. Ist aber eine Entlassung schon aus diesem Grunde keine gesetzliche Disziplinarmaßnahme, kann es dahingestellt bleiben, ob eine solche Disziplinarordnung überhaupt hätte vereinbart werden können. Von der betriebsverfassungsrechtlichen Unwirksamkeit ist jedoch die einzelvertragliche "Restgültigkeit" zu unterscheiden. Mit der Vereinbarung eines bestimmten Verfahrens unterwerfen sich beide Teile des Arbeitsvertrages der Entscheidung eines "Dritten" die soweit nicht als sittenwidrig iSd § 879 ABGB anzusehen ist, als nicht in den zweiseitig zwingenden "Kernbereich" der vorzeitigen Auflösung eingegriffen wird. Es ist daher grundsätzlich zulässig, das Entlassungsrecht mit einem weiten Ermessen einem dafür auch verantwortlichen "Dritten" - der "Disziplinarkommission" - zu übertragen. Die Überprüfung der auf einem solchen "Disziplinarerkenntnis" beruhenden Entlassung durch das Gericht, insbesondere hinsichtlich des Vorliegens von Entlassungsgründen, ist aber stets möglich.