02.09.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zum § 3 KautSchG

Eine bevorstehende Insolvenz allein stellt keinen unzulässigen Druck des Arbeitgebers in Form eines "Abhängigmachens" dar


Schlagworte: Kautionsschutzrecht, Darlehen, Aufrechterhaltung eines Dienstvertrags, Druckausübung, Kündigung
Gesetze:

§ 3 KautSchG, § 4 KautSchG

GZ 9 ObA 107/09i, 30.06.2010

OGH: Gem § 3 KautSchG darf der Abschluss oder die Aufrechterhaltung eines Dienstvertrags vom Dienstgeber nicht davon abhängig gemacht werden, dass dem Dienstgeber vom Dienstnehmer oder einem Dritten ein Darlehen gewährt wird oder dass der Dienstnehmer oder ein Dritter sich mit einer Geldanlage an dem Unternehmen des Dienstgebers als stiller Gesellschafter beteiligt. Gem § 4 KautSchG sind Rechtsgeschäfte, die den Bestimmungen des § 3 widersprechen, nichtig. Das aufgrund solcher Rechtsgeschäfte und Verträge Geleistete kann jederzeit zurückgefordert werden.

Zweck der mit Nichtigkeitsanktion bewehrten Verbotsnorm des § 3 KautSchG ist es, den Dienstnehmer davor zu schützen, dass er der Aufrechterhaltung des Dienstvertrags wegen dem Dienstgeber ein Darlehen gewährt und damit der Gefahr der Insolvenz des Dienstgebers ausgesetzt wird. Die Rsp hat diese Schutznorm auch auf andere Fälle analog angewendet, wenn es galt, Arbeitnehmer vor dem durch den Arbeitgeber ausgeübten Druck zu schützen, um denselben Effekt wie eine Darlehensgewährung oder Beteiligung durch Umgehungen zu erreichen. Der festgestellte Sachverhalt kann jedoch entgegen der Auffassung des Revisionswerbers auch mittels Analogie dem § 3 KautSchG nicht unterstellt werden. Unzweifelhaft ist der Tatbestand des § 3 KautSchG erfüllt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer explizit vor die Alternative stellt, das Darlehen oder die Beteiligung abzuschließen oder allenfalls gekündigt zu werden. Die allgemein iZm Arbeitsverhältnissen unterstellte Drucksituation gegenüber Ansinnen und Wünschen des Arbeitgebers wird aber nicht immer ausreichen. Ansonsten wäre das Tatbestandsmerkmal "Abhängigmachen des Dienstverhältnisses" neben dem Vorhandensein eines Arbeitsverhältnisses weitgehend überflüssig. Zum Beispiel wäre die Annahme eines vom (potenziellen) Arbeitnehmer aus Eigeninitiative angebotenen Darlehens oder einer solchen Beteiligung daher vom Schutzzweck des § 3 KautSchG nicht umfasst. Auch wird der bloße Hinweis auf eine mögliche Insolvenz als Druckmittel nicht reichen: Das Ende des Arbeitsverhältnisses ist dann nicht Ergebnis einer willentlichen Reaktion des Arbeitgebers auf die Weigerung des Arbeitnehmers, sondern einer wahrscheinlichen Entwicklung und als solches auch vom Arbeitgeber dargestellt.

Auch die vorliegende Konstellation muss daher als vom Schutzbereich des § 3 KautSchG nicht umfasst beurteilt werden: Zunächst waren die damals noch befugten Organe (Geschäftsführer) der Beklagten an der vom Betriebsrat initiierten Vorgangsweise in keiner Weise beteiligt. Wenn der vom Betriebsratsvorsitzenden aufgetriebene Kapitalgeber und spätere Mehrheitsgesellschafter seine Mitwirkung davon abhängig machte, dass ein Geschäftsführer aus der Belegschaft gefunden werde, der sich überdies an der Gesellschaft beteilige, so kann dies insbesondere damit erklärt werden, dass er eine Person wollte, die - anders als er selbst - mit dem Betrieb vertraut war. Selbst wenn der spätere Mehrheitsgesellschafter gewusst hätte, dass die Kapitalaufbringung durch den späteren Minderheitsgesellschafter teilweise auch aus Mitarbeitermitteln ("Spenden" an den späteren Minderheitsgesellschafter) erfolgte, hätte dies nichts daran geändert, dass die vom Gesetz verpönte Druckausübung nicht vom Arbeitgeber ausging: Die Initiative ergriff vielmehr die Belegschaft bzw deren Vertretung. Der in Aussicht genommene Mehrheitsgesellschafter konnte auch durch eigene Verfügungen weder eine Kündigung herbeiführen, noch hatte er im Vorstadium irgendeinen Einfluss auf die der Beklagten drohende Insolvenz. Dass überdies eine bevorstehende Insolvenz allein keinen unzulässigen Druck des Arbeitgebers in Form eines "Abhängigmachens" darstellt, hat Geist überzeugend nachgewiesen. Mangels (analoger) Anwendbarkeit des § 3 KautSchG besteht somit kein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der - im Übrigen definitiv und ohne Rückzahlungsabrede - dem in Aussicht genommenen Geschäftsführer und Minderheitsgesellschafter erbrachten Leistung.