07.10.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur (bedingten) Bescheiderlassungspflicht bei Renten- / Pensionsanpassungen gem § 367 Abs 3 ASVG

Über Anträge auf Gewährung von Pensionsleistungen ist jedenfalls ein Bescheid zu erlassen (vgl § 367 Abs 1 ASVG); dazu gehört zweifellos auch die Frage der Höhe der Pensionsleistung; der Gesetzgeber hat aber mit der Bestimmung des § 367 Abs 3 ASVG ganz offensichtlich aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung vorgesehen, dass über die in der Regel nicht problematischen Pensionsanpassungen ein Bescheid nur über Antrag des Pensionsbeziehers zu erlassen ist, obwohl inhaltlich ein typischer Fall einer bescheidmäßigen Erledigung (Höhe einer Dauerleistung) vorliegt


Schlagworte: Bescheide der Versicherungsträger in Leistungssachen, Renten- / Pensionsanpassungen, bedingte Bescheiderlassungspflicht, Frist
Gesetze:

§ 367 Abs 3 ASVG

GZ 10 ObS 59/10i, 27.07.2010

Die Klägerin vertritt den Standpunkt, die beklagte Partei hätte bei der von der Klägerin rechtzeitig beantragten bescheidmäßigen Feststellung der Auswirkungen der Pensionsanpassung für das Jahr 2009 auf die Höhe ihres Pensionsanspruchs auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Pensionsanpassung 2008 gleichsam als Vorfrage prüfen müssen.

OGH: Der Umfang der Bescheiderlassungspflicht der Versicherungsträger bei Feststellung von Leistungsansprüchen wird im Wesentlichen durch die Bestimmung des § 367 ASVG festgelegt. "Jedenfalls einen Bescheid zu erlassen" ist im Wesentlichen dort, wo es um die Fixierung längerfristig zu erbringender Leistungen geht, wie dies für die Leistungen aus der Pensionsversicherung, aber auch für die wichtigsten Leistungen aus der Unfallversicherung charakteristisch ist. Dasselbe gilt für die in § 367 Abs 1 Satz 2 und 3 ASVG angeführten Feststellungen. Über bestimmte, in § 367 Abs 1 Satz 1 ASVG umschriebene Ansprüche ist ein Bescheid nur zu erlassen, wenn die beantragte Leistung ganz oder teilweise abgelehnt wird und der Anspruchswerber ausdrücklich einen Bescheid verlangt. Diese sog "bedingte Bescheidpflicht" erfasst insbesondere Leistungen aus der Krankenversicherung und Unfallversicherung, die nur einmalig oder kurzfristig zu erbringen sind. Hier tritt das Bestreben nach Rechtssicherheit hinter dem Bedürfnis nach Verwaltungsvereinfachung zurück, ohne dass hiedurch der Rechtsschutz des Versicherten erheblich verschlechtert wäre. Dieser kann, sofern er mit dem Inhalt der "schlichten Mitteilung" nicht einverstanden ist, einen Bescheid beantragen, und sich damit den Weg zum Arbeits- und Sozialgericht eröffnen.

Der Gesetzgeber hat aus einsichtigen Praktikabilitätsüberlegungen heraus die Versicherungsträger auch für den Bereich der Renten- und Pensionsanpassung sowie der Vervielfachung fester Beträge mit einer Aufwertungszahl bzw einem Aufwertungsfaktor von der Pflicht einer Erlassung eines Bescheids befreit und insoweit nur eine bedingte Bescheidpflicht vorgesehen. Über die Auswirkung von Renten- oder Pensionsanpassungen ist daher ein Bescheid nur zu erlassen, wenn der Berechtigte dies bis zum Ablauf des betreffenden Kalenderjahrs verlangt.

Die Bestimmung des § 367 Abs 3 ASVG über die bedingte Bescheidpflicht des Versicherungsträgers bei Renten- oder Pensionsanpassungen wurde durch das Pensionsanpassungsgesetz gemeinsam mit dem System der laufenden Anpassung der Renten und Pensionen in der Sozialversicherung (Abschnitt VI a des Ersten Teils des ASVG: §§ 108a ff) eingeführt. Der Gesetzgeber hat mit der Bestimmung des § 367 Abs 3 ASVG ganz offensichtlich aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung vorgesehen, dass über die in der Regel nicht problematischen Pensionsanpassungen ein Bescheid nur über Antrag des Pensionsbeziehers zu erlassen ist.

Auszugehen ist davon, dass über Anträge auf Gewährung von Pensionsleistungen jedenfalls ein Bescheid zu erlassen ist (vgl § 367 Abs 1 ASVG). Dazu gehört zweifellos auch die Frage der Höhe der Pensionsleistung. Aus verfahrensökonomischen Gründen hat aber der Gesetzgeber in § 367 Abs 3 ASVG angeordnet, dass eine bescheidmäßige Erledigung über die Auswirkung von Renten- oder Pensionsanpassungen grundsätzlich nicht zu ergehen braucht, obwohl inhaltlich ein typischer Fall einer bescheidmäßigen Erledigung (Höhe einer Dauerleistung) vorliegt. Damit diese aus durchaus einsichtigen verfahrensökonomischen Gründen sinnvolle Reduzierung der Verpflichtung zur bescheidmäßigen Erledigung zu keinen Nachteilen in Bezug auf den Rechtsschutz der Pensionsbezieher bei der Vornahme der Pensionsanpassung führt, hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass ein Bescheid über die Auswirkung von Renten- oder Pensionsanpassungen ausnahmsweise doch dann zu erlassen ist, wenn der Berechtigte dies bis zum Ablauf des Kalenderjahrs verlangt, für das die Anpassung (Vervielfachung) vorgenommen wurde (§ 367 Abs 3 ASVG).

Die Antragsmöglichkeit der Klägerin, über die Auswirkung der Pensionsanpassung 2008 auf die Höhe ihrer Pension einen Bescheid zu verlangen, war daher gem § 367 Abs 3 ASVG kalendermäßig befristet. Im Zeitpunkt ihrer Antragstellung bei der beklagten Partei im Februar 2009 war diese Frist bereits verstrichen. Die beklagte Partei hat daher zu Recht den Antrag der Klägerin auf Nachzahlung von 189,36 EUR brutto an Pensionsdifferenz für den Zeitraum vom 1. 1. 2008 bis 31. 10. 2008 aufgrund der Pensionsanpassung 2008 wegen Verfristung des Antrags auf Bescheidausstellung zurückgewiesen. Damit war aber auch eine inhaltliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Pensionsanpassung 2008 im Fall der Klägerin durch das Arbeits- und Sozialgericht jedenfalls nicht mehr möglich, da das Recht der Klägerin auf Ausstellung eines - vor dem Arbeits- und Sozialgericht bekämpfbaren - Bescheids über die Auswirkung der Pensionsanpassung 2008 auf die Höhe ihrer Pension gem § 367 Abs 3 ASVG bereits verfristet war. Die Klägerin konnte daher mit ihrem am 18. 2. 2009 bei der beklagten Partei eingelangten Antrag nur mehr eine inhaltliche Überprüfung der Pensionsanpassung für das Jahr 2009 erreichen.