04.11.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Dienstfreistellung durch Arbeitgeber - Anwendbarkeit der Einrechnungsverpflichtung nach § 1155 ABGB hinsichtlich eines anderen Einkommens?

Die Einrechnung des aus der Verwertung der Arbeitskraft tatsächlich erzielten anderen Einkommens entspricht nicht nur dem klaren Wortlaut des § 1155 ABGB, sondern auch anderen Anrechnungsregeln im ABGB; selbst ein vorsätzliches Nichtzulassen zur Arbeit allein stellt noch keinen Missbrauch dar, der eine Anrechnung ausschließt


Schlagworte: Dienstvertrag, Unterbleiben der Dienstleistung, Anrechnung, anderes Einkommen, Rechtsmissbrauch, Urlaubsentschädigung
Gesetze:

§ 1155 ABGB, § 10 UrlG

GZ 9 ObA 81/10t, 29.09.2010

Der Kläger hat in der Zeit, in der vom Erstgericht im ersten Rechtsgang, wenngleich nicht rechtskräftig, so doch nach § 61 Abs 1 Z 1 ASGG vorläufig bindend, die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung festgestellt wurde, bis zum tatsächlichen Wiederaufnehmen seiner Tätigkeit - die Beklagte hatte den Kläger deshalb nicht früher zum Dienstantritt aufgefordert, weil sie die Entscheidung des OGH abwarten wollte - bei anderen Dienstgebern gearbeitet und dafür Entgelt erzielt.

OGH: Es ist zwischen der Obliegenheit zur Annahme einer anderen Erwerbsmöglichkeit und dem tatsächlich verdienten Entgelt in einem anderen Erwerb zu differenzieren. Nur zu letzterem Fall ist hier Stellung zu nehmen. Die Einrechnung des aus der Verwertung der Arbeitskraft tatsächlich erzielten anderen Einkommens entspricht nicht nur dem klaren Wortlaut des § 1155 ABGB, sondern auch anderen Anrechnungsregeln im ABGB (§ 1168 ABGB, § 1419 ABGB).

Eine davon gesondert zu behandelnde Frage ist aber, inwieweit sich die Erhebung dieses Einwands, also die Geltendmachung dieses Einrechnungsrechts durch den Arbeitgeber, im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände als rechtsmissbräuchlich erweist. Ein Rechtsmissbrauch wird im Wesentlichen dann angenommen, wenn die unlauteren Motive der Rechtsausübung augenscheinlich im Vordergrund stehen und diese die lauteren Motive eindeutig überwiegen. Dass selbst ein vorsätzliches Nichtzulassen zur Arbeit allein noch keinen Missbrauch, der eine Anrechnung ausschließt, nachweist, wurde bereits ausgesprochen. Konkrete andere - unlautere - Motive wurden weder behauptet noch nachgewiesen. Wenn der Arbeitnehmer aus der Verwertung seiner Arbeitskraft in einem anderen Arbeitsverhältnis tatsächlich ein Einkommen erwirbt, so trägt er insoweit auch kein Risiko. Es wird vielmehr faktisch der Schaden, der aus der mangelnden Beschäftigung des Arbeitnehmers während des Streits über den aufrechten Bestand des Arbeitsverhältnisses sonst entsteht und dessen Tragung bis zur Rechtskraft der Entscheidung noch nicht gewiss ist gemindert. Hinzu kommt hier, dass der Arbeitnehmer ohnehin bereits Entgelt im Rahmen eines anderen Rechtsverhältnisses erzielte und die Beklagte, nachdem der Kläger diese zur Zahlung aufforderte, ihre Zahlungsverpflichtung gar nicht in Abrede stellte, sondern bloß die Unterlagen für die Abrechnung verlangte, aus denen sich dann offensichtlich ein regelmäßiges Einkommen des Klägers ergab.

Im Ergebnis ist somit hier eine Anrechnungsverpflichtung zu Grunde zu legen.

Zutreffend hat das Berufungsgericht hinsichtlich der eingewendeten Urlaubsentschädigung darauf verwiesen, dass mit der Feststellung der Unwirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Rechtsgrundlage für die Auszahlung der Urlaubsentschädigung weggefallen ist. Dementsprechend konnte die Beklagte diese mangels Rechtsgrundlage für die Zahlung auch kondizieren. Dies konnte entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts jedoch nicht nur iSe mit dem aufrechten Bestand der Klagsforderung bedingten Aufrechnungseinrede entsprechend § 391 Abs 3 ZPO erfolgen, sondern auch iSe unbedingten - außergerichtlichen - Aufrechnung. Ausgehend davon, dass die Beklagte die Ansprüche des Klägers dem Grunde nach nicht bestritten und konkret vorgebracht hat, dass sie die Urlaubsersatzleistung "rückverrechne" spricht einiges für eine unbedingte - außergerichtliche - Aufrechnung. Einer ausdrücklichen gerichtlichen Aufrechnungseinrede bedurfte es daher gar nicht.

Grundsätzlich zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass nach stRsp der Arbeitnehmer berechtigt ist, den "Bruttolohn" einzuklagen und dass auch ein auf den Bruttolohn gerichtetes Klagebegehren grundsätzlich als bestimmt und exequierbar angesehen wird. Warum die Beklagte nicht berechtigt sein sollte, die nunmehr relevierten, vom Kläger zugestandenen Abzüge wie Arbeiterkammerumlage, Wohnbauförderung etc nicht gegebenenfalls im Rahmen des Exekutionsverfahrens geltend zu machen, hat sie im erstgerichtlichen Verfahren nicht konkret eingewendet.