18.11.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Auslegung des § 2d Abs 2 AVRAG iZm Rückforderung von Lohnkosten als Ausbildungskosten

Es ist darauf abzustellen, ob der Arbeitnehmer während der Ausbildung unter Fortzahlung des Entgelts von seinen üblichen betrieblichen Aufgaben gänzlich freigestellt ist und sich stattdessen der Ausbildung widmet; (nur) auf diesen Fall treffen die gesetzgeberischen Wertungen zu, die den Gesetzgeber (und früher die Rsp) veranlasst haben, Vereinbarungen über eine Verpflichtung zum Rückersatz des ausgezahlten Lohns zu ermöglichen


Schlagworte: Arbeitsvertragsrecht, Ausbildungskostenrückersatz, Entgelt, Lohnnebenkosten, Dienstfreistellung
Gesetze:

§ 2d Abs 2 AVRAG

GZ 8 ObA 70/09s, 22.09.2010

OGH: Ausgehend von den aus den Materialien ersichtlichen Überlegungen des Gesetzgebers und seiner daraus ersichtlichen Absicht folgt der OGH jenen Lehrmeinungen, die den Begriff der Dienstfreistellung in Abgrenzung von der Ausbildung durch Verwendung definieren und demgemäß darauf abstellen, ob der Arbeitnehmer während der Ausbildung unter Fortzahlung des Entgelts von seinen üblichen betrieblichen Aufgaben gänzlich freigestellt ist und sich stattdessen der Ausbildung widmet. (Nur) Auf diesen Fall treffen die gesetzgeberischen Wertungen zu, die den Gesetzgeber (und früher die Rsp) veranlasst haben, Vereinbarungen über eine Verpflichtung zum Rückersatz des ausgezahlten Lohns zu ermöglichen. Erfolgt hingegen die Ausbildung durch Verwendung im Betrieb, treffen diese Wertungen nicht zu.

Ob der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich verpflichtet ist, sich der Ausbildung zu unterziehen, ist auch im Anwendungsbereich des § 2d Abs 2 AVRAG nicht entscheidend. Auch wenn dies der Fall ist, ist der gänzlich für die Ausbildung freigestellte Arbeitnehmer von seiner betrieblichen Verwendung ("von der Dienstleistung") entbunden, sodass die gesetzgeberischen Motive für die Zulassung von Rückersatzvereinbarungen zum Tragen kommen. Die gegenteilige Meinung, die im Fall einer Verpflichtung zur Ausbildung deren Absolvierung als "Dienstleistung" iSd § 2d Abs 2 Satz 2 AVRAG werten will, wird dem Wortlaut des Gesetzes, den Motiven des Gesetzgebers und dem Zweck der Bestimmung nicht gerecht.

Ausgehend von dieser Rechtsauffassung erweist sich die hier zu beurteilende Rückersatzvereinbarung grundsätzlich als zulässig, weil die Beklagte für die Dauer des Berufsschulbesuchs völlig von ihrer betrieblichen Verwendung - von ihrer "Dienstleistung" - freigestellt war.

Eine Anwendbarkeit des richterlichen Mäßigungsrechts ist im Bereich des § 2d AVRAG nicht vorgesehen ist.

§ 2d Abs 2 AVRAG ermöglicht die Vereinbarung der Rückforderung von bezahltem Entgelt. Die Streitteile vereinbarten die Rückzahlung von Lohnkosten, wobei sie in ihrer Vereinbarung ausdrücklich festhielten, dass unter dem Begriff der Lohnkosten (ua) das Bruttoentgelt zu verstehen sei. Da unter dem vom Gesetzgeber verwendeten Begriff des "Entgelts" im Zweifel das Bruttoentgelt zu verstehen ist, verstößt diese Vereinbarung nicht gegen § 2d Abs 2 AVRAG.

Nach § 2d AVRAG ist der Arbeitgeber allerdings nur berechtigt, tatsächlich aufgewendete Ausbildungskosten zurückzufordern. Diese Grundsätze haben grundsätzlich auch für die Rückforderung von Entgelt iSd § 2 Abs 2 Satz 2 AVRAG zur Anwendung zu gelangen. Damit ist aber die Vereinbarung eines Pauschalbetrags (hier: "Lohnnebenkostenpauschale von 25 %"), von dem begrifflich nicht feststeht, dass er den tatsächlich aufgewendeten Kosten entspricht, nicht zulässig.