29.05.2006 Arbeits- und Sozialrecht

EuGH: Der zuständige Träger kann die Genehmigung einer medizinischen Leistung in einem anderen Mitgliedsland nur dann versagen, wenn er nachweist, dass der Zeitraum dieser Leistung im Inland nicht den vertretbaren zeitlichen Rahmen überschreitet, der sich aus einer objektiven medizinischen Beurteilung ergibt


Schlagworte: Sozialrecht, medizinische Leistung, Genehmigung, Zeitraum, Wartezeit
Gesetze:

Art 49 EGV, Art 22 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung

Mit Urteil vom 16.05.2006 zur GZ C-372/04 hat sich der EuGH mit medizinischen Leistungen, die in einem anderen Mitgliedstaat erbracht werden, befasst:

Die englische Staatsbürgerin Frau Watts, erkundigte sich beim Bedford Primary Care Trust nach der Möglichkeit, sich im Ausland operieren zu lassen. Dies wurde mit der Begründung abgelehnt, die zweite Voraussetzung des Art 22 Abs 2 Unterabsatz 2 sei nicht erfüllt. Eine Behandlung könne nämlich in einem Krankenhaus am Wohnort der Patientin "rechtzeitig" erfolgen.

Dazu der EuGH: Der zuständige Träger kann - wenn er sich auf das Bestehen einer Wartezeit für eine Krankenhausbehandlung beruft - die Genehmigung nur dann gemäß Art 22 Abs 2 Unterabsatz 2 versagen, wenn er nachweist, dass dieser Zeitraum nicht den vertretbaren zeitlichen Rahmen überschreitet, der sich aus einer objektiven medizinischen Beurteilung des klinischen Bedarfs des Betroffenen unter Berücksichtigung sämtlicher Parameter ergibt, die seinen Gesundheitszustand zu dem Zeitpunkt kennzeichnen, zu dem der Antrag auf Genehmigung gestellt oder gegebenenfalls erneuert wird. Außerdem muss die Festlegung von Wartezeiten auf eine flexible und dynamische Weise erfolgen, die es erlaubt, den dem Betroffenen ursprünglich mitgeteilten Zeitraum zu überprüfen, falls sich sein Gesundheitszustand nach einem ersten Genehmigungsantrag verschlechtert.

Bei einer Genehmigung hat der betroffene Patient, einen Anspruch ausschließlich auf die Kosten, die mit der Gesundheitsversorgung verbunden sind, die der Patient im Aufenthaltsmitgliedstaat erhalten hat, dh, soweit es um eine Krankenhausbehandlung geht, auf die Kosten der eigentlichen medizinischen Leistungen und die damit untrennbar verbundenen Ausgaben für den Aufenthalt des Betroffenen im Krankenhaus.

Nach stRsp stellen entgeltliche medizinische Leistungen Dienstleistungen iSv Art 49 EGV dar. Einen Anspruch auf Übernahme der Nebenkosten hat der Patient gem Art 49 EGV dann, wenn die Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats dem nationalen System eine entsprechende Übernahmepflicht im Rahmen einer in einer örtlichen Einrichtung dieses Systems erbrachten Behandlung auferlegen.