09.12.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Beurteilung der Wirksamkeit einer Entlassung durch den Bürgermeister einer Gemeinde

Eine vom Bürgermeister allein ausgesprochene Entlassung ist nicht nur schwebend, sondern grundsätzlich unwirksam, wenn der Bürgermeister zum Ausspruch der Entlassung nach den Organisationsvorschriften nicht (allein) zuständig war


Schlagworte: Entlassung durch Bürgermeister, Vertretung der Gemeinde
Gesetze:

§ 867 ABGB, §§ 1002 ff ABGB

GZ 9 ObA 84/10h, 29.09.2010

OGH: Nach gesicherter Rsp stellen die in der Gemeindeordnung enthaltenen Vorschriften über die Vertretung der Gemeinden nicht bloße Organisationsvorschriften über die interne Willensbildung öffentlich-rechtlicher Körperschaften dar, sondern enthalten vielmehr Einschränkungen der Vertretungsmacht des Bürgermeisters nach außen. Eine durch einen erforderlichen Gemeinderatsbeschluss nicht gedeckte Willenserklärung des Bürgermeisters bindet mangels der dafür erforderlichen Vertretungsbefugnisse die Gemeinde daher grundsätzlich nicht. Zudem kommt nach der Judikatur die nachträgliche Sanierung (durch Genehmigung seitens des zuständigen Gemeindeorgans) einer ursprünglich fehlerhaften Entlassung ebenso wenig in Betracht, wie die Entlassung unter einer vom Willen des Arbeitnehmers unabhängigen Bedingung, weil die Entlassung die Rechtslage mit Wirkung ex nunc gestaltet. Nach diesen Grundsätzen ist eine vom Bürgermeister allein ausgesprochene Entlassung nicht nur schwebend, sondern grundsätzlich unwirksam, wenn der Bürgermeister zum Ausspruch der Entlassung nach den Organisationsvorschriften nicht (allein) zuständig war.

Bei diesen Grundsätzen handelt es sich um allgemein gültige Schlussfolgerungen zur Wirksamkeit von Willenserklärungen in Vertretung von Gemeinden mit Rücksicht auf die landesgesetzlichen Organisationsvorschriften.

Gewiss ist auch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft gehalten, einen Entlassungsgrund unverzüglich nach Kenntnisnahme des die vorzeitige Auflösung rechtfertigenden Sachverhalts durch das für den Ausspruch der Entlassung zuständige Organ geltend zu machen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass bei juristischen Personen und insbesondere im öffentlichen Bereich die Willensbildung regelmäßig umständlicher und langwieriger als bei physischen Personen erfolgt, weil die Wahrnehmung der Zuständigkeit nach Maßgabe der Kompetenzverteilung und auch der Aktenlauf gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Dadurch bedingte Verzögerungen werden von der Rsp daher grundsätzlich als gerechtfertigt anerkannt.

Das Argument der Beklagten, ihr sei nicht zumutbar gewesen, den Kläger nach Setzung des Entlassungsgrundes noch mindestens sechs Tage zu beschäftigen, wird schon dadurch entkräftet, dass es ihr freigestanden wäre, den Kläger bis zur Entscheidung des Gemeinderats von seiner Tätigkeit zu entheben.

In der Zustimmung des Gemeinderats der Beklagten zu der vom Bürgermeister ausgesprochenen Entlassung des Klägers anlässlich der Gemeinderatssitzungen vom 4. 12. 2009 und 21. 1. 2010 ist weder eine eigene Entlassungserklärung des Gemeinderats gelegen noch wurde eine solche Entlassungserklärung des Gemeinderats dem Kläger zugestellt. Die individuelle Mitteilung der Entlassung stellt aber eine unabdingbare Voraussetzung für deren Wirksamkeit dar.