16.12.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Frage, ob § 5 EFZG auch den Fall erfasst, dass ein dauernder Krankenstand in ein neues fiktives Arbeitsjahr hineinreicht, aber keine ineinander greifenden Zeiträume der Entgeltfortzahlung gegeben sind

Endet das Arbeitsverhältnis vor Beginn des neuen Arbeitsjahrs und kann daher kein neues Arbeitsjahr zu laufen beginnen, gibt § 5 EFZG trotz fortdauernden Krankenstands keine geeignete Grundlage ab, einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 2 Abs 1 EFZG entstehen zu lassen


Schlagworte: Entgeltfortzahlungsanspruch, Krankenstand, Kündigung, neues Arbeitsjahr
Gesetze:

§ 5 EFZG, § 2 EFZG

GZ 9 ObA 36/10z, 22.10.2010

OGH: Wird der Arbeitnehmer während einer Arbeitsverhinderung gem § 2 EFZG gekündigt, ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen oder trifft den Arbeitgeber ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers, so bleibt gem § 5 EFZG der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die nach diesem Bundesgesetz vorgesehene Dauer bestehen, wenngleich das Arbeitsverhältnis früher endet.

Diese Regelung soll verhindern, dass sich der Arbeitgeber von der Pflicht zur Entgeltfortzahlung an den Arbeitnehmer dadurch befreit, dass er während der Arbeitsverhinderung das Dienstverhältnis durch Kündigung oder ungerechtfertigte Entlassung löst; der Anspruch auf Entgeltfortzahlung soll so auch über die rechtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses hinaus gewahrt werden. Für die Frage der Entgeltleistung wird in diesem Fall die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses ohne den Hinderungsgrund fingiert, die vereinbarte Leistung gilt als geleistet. Sonst könnte der Arbeitgeber über den Kündigungszeitpunkt bzw den Zeitpunkt der Entlassung zeitlich hinausgehende Ansprüche des Arbeitnehmers zunichte machen.

Zu 9 ObA 115/05k hatte sich der OGH mit der Frage auseinander zu setzen, ob im Falle, dass ein Arbeiter während des Krankenstands gekündigt wird und ein neues Arbeitsjahr zwar erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, aber noch während des fortdauernden Krankenstands beginnt, ein neuer EFZ-Anspruch entsteht. Der OGH bejahte diese Frage. Der Schutzzweck des § 5 EFZG gebiete auch dann das Entstehen eines neuen Entgeltfortzahlungsanspruchs, wenn das Arbeitsverhältnis noch im alten Arbeitsjahr, aber während eines fortdauernden Krankenstands geendet habe, und wenn die Fortzahlungszeiträume des alten und (fiktiven) neuen Arbeitsjahrs ineinander übergriffen.

Die Kritik in der Lehre veranlasst den erkennenden Senat, von der zu 9 ObA 115/05k eingenommenen Position Abstand zu nehmen. Gerade die im Ergebnis zustimmende Meinung Kallabs zeigt deutlich auf, dass eine Eingrenzung des EFZ-Anspruchs bei arbeitsjahresübergreifendem Krankenstand auf ineinander übergreifende Fortzahlungszeiträume aus dem Gesetz nicht ableitbar ist. Bei näherer Betrachtung überzeugt aber auch das Argument nicht, dass der Gesetzgeber trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Fall des mehrjährig fortdauernden Krankenstands für ein immer wieder neues Aufleben des Entgeltfortzahlungsanspruchs in Kauf nehmen wollte.

§ 5 EFZG geht grundsätzlich davon aus, dass ein Krankenstand der Auflösung des Arbeitsverhältnisses während der Dauer der Arbeitsverhinderung nicht entgegensteht. Dem kranken Arbeitnehmer soll aber der volle Anspruch auf Ausschöpfung des nicht verbrauchten Kontingents an Entgeltfortzahlung aus dem laufenden Arbeitsjahr auch dann gewahrt bleiben, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der Arbeitsverhinderung erfolgt. Endet jedoch das Arbeitsverhältnis vor Beginn des neuen Arbeitsjahrs und kann daher kein neues Arbeitsjahr zu laufen beginnen, gibt § 5 EFZG trotz fortdauernden Krankenstands keine geeignete Grundlage ab, einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 2 Abs 1 EFZG entstehen zu lassen.

Dem Umstand, dass mit der Klägerin nach Ende der Arbeitsverhinderung erneut ein Dienstverhältnis begründet wurde, kommt in diesem Zusammenhang keine rechtserhebliche Bedeutung zu.