03.06.2006 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Der Mindeststandard eines vereinbarten günstigeren Kollektivvertrages kann unterschritten werden, wenn dadurch dennoch der Mindeststandard des an sich anzuwendenden Kollektivvertrages gewahrt bleibt


Schlagworte: Arbeitsrecht, Kollektivvertrag, Mindeststandard, abweichende Vereinbarung
Gesetze:

KollV für die Papier und Pappe verarbeitende Industrie, §§ 914 ff ABGB

In seinem Erkenntnis vom 29.03.2006 zur GZ 9 ObA 70/05t hatte sich der OGH mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Auswirkungen ein vereinbarter Kollektivvertrag auf gleichzeitig abgeschlossene ungünstigere Gehaltsvereinbarungen habe:

Obwohl der Handel mit Fremdprodukten die Eigenproduktion von Verpackungsmaterial überwog, berechnete die beklagte Partei die Gehälter ihrer Dienstnehmer aufgrund des Kollektivertrages für die Papier und Pappe verarbeitende Industrie. Die Klägerin begehrte nunmehr den Zuspruch jener Differenzbeträge, die ihr aufgrund der Verrichtung von Tätigkeiten der Verwendungsgruppe III zustünden. Die beklagte Partei wandte ein, dass der Kollektivvertrag für Handelsangestellte ausschlaggebend sei und dessen Mindestsätze ohnehin überschritten worden seien.

Der OGH führte dazu aus: Den Parteien bleibt es unbenommen, anstatt des anzuwendenden Kollektivvertrages die Anwendung eines für den Arbeitnehmer günstigeren Kollektivvertrages zu vereinbaren. Dieser dient als Vertragsschablone, hat jedoch nicht mehr die Funktion zur Sicherung eines gewissen Mindeststandards, weshalb die im vereinbarten Kollektivvertrag vorgesehenen Mindestsätze unterschritten werden können, sofern dadurch nicht der Mindeststandard des sonst geltenden Kollektivvertrages unterlaufen wird. Soll daher von der Gehaltsregelung des vereinbarten Kollektivvertrages abgewichen werden, ist dazu eine ausdrückliche Vereinbarung erforderlich.