06.01.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Angelernter Beruf - zum Berufsschutz nach § 255 Abs 2 ASVG (hier: iZm Berufskraftfahrer)

Es genügt nicht, dass der Versicherte über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die für die Annahme eines angelernten Berufs erforderlich sind, sondern es müssen diese Kenntnisse und Fähigkeiten für die von ihm ausgeübte Berufstätigkeit erforderlich, also Voraussetzung hiefür gewesen sein; es kann daher ein Versicherter, der nur eine Teiltätigkeit eines Lehrberufs ausübt, die nicht als angelernte Tätigkeit anzusehen ist, auch beispielsweise durch einen nachträglichen Lehrabschluss ohne jede praktische Anwendung der dort erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten keinen Berufsschutz erlangen


Schlagworte: Invalidität, Berufsschutz, angelernter Beruf, Berufskraftfahrer
Gesetze:

§ 255 Abs 2 ASVG

GZ 10 ObS 121/10g, 14.09.2010

OGH: Nach § 255 Abs 2 ASVG liegt ein angelernter Beruf vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. Es kommt dabei nach stRsp darauf an, dass der Versicherte über die Kenntnisse oder Fähigkeiten verfügt, die üblicherweise an Absolventen des Lehrberufs gestellt werden. Es reicht daher nicht aus, wenn sich die Kenntnisse oder Fähigkeiten nur auf ein Teilgebiet oder mehrere Teilgebiete eines Tätigkeitsbereichs beschränken, die von gelernten Arbeitern allgemein in viel weiterem Umfang beherrscht werden. Die Frage, ob ein angelernter Beruf vorliegt, ist keine Tat-, sondern eine Rechtsfrage. Grundlage für die Lösung dieser Frage bilden Feststellungen über die Kenntnisse und Fähigkeiten, über die der Versicherte im Einzelfall verfügt und über die Anforderungen, die an einen gelernten Arbeiter in diesem Beruf üblicherweise gestellt werden.

Es entspricht auch der stRsp, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten eines angelernten Berufskraftfahrers an dem seinerzeit durch die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 28. 7. 1987, BGBl 1987/396, geschaffenen Berufsbild des Lehrberufs "Berufskraftfahrer" gemessen werden können. Ein Kraftfahrer, dessen Kenntnisse nur unwesentlich über diejenigen hinausgehen, die von jedem Lenker eines Schwerkraftfahrzeugs anlässlich der Führerscheinprüfung verlangt werden, übt keinen angelernten Beruf aus. Gerade der Berufskraftfahrer benötigt nicht nur die für den Güternahverkehr erforderlichen Kenntnisse, sondern darüber hinausgehende Kenntnisse, die va für den grenzüberschreitenden Verkehr bedeutsam sind. Hiezu gehört nicht nur die Ausfertigung von für den Transport erforderlicher Papiere, sondern auch kaufmännisches Rechnen und Schriftverkehr sowie die Kenntnis des einschlägigen Zahlungsverkehrs, der wichtigsten europäischen Verkehrswege, der Strecken- und Terminplanung, Grundkenntnisse der Transportversicherung, der Beförderungsverträge, des Handels-, Straf- und Verwaltungsrechts, der Zollvorschriften und der Warenkunde etc.