20.01.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zum Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit iSd §§ 255 und 273 ASVG

Ein bereits vor Beginn der Erwerbstätigkeit eingetretener und damit in das Versicherungsverhältnis mitgebrachter, im Wesentlichen unveränderter körperlicher oder geistiger Zustand kann bei Leistungen aus den Versicherungsfällen geminderter Arbeitsfähigkeit nicht zum Eintritt des Versicherungsfalles führen


Schlagworte: Pensionsversicherung, Berufsunfähigkeit, Invalidität
Gesetze:

§ 273 ASVG, § 255 ASVG

GZ 10 ObS 170/10p, 30.11.2010

OGH: Nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut und der stRsp des OGH setzt der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit iSd §§ 255 und 273 ASVG voraus, dass sich der körperliche oder geistige Zustand des Versicherten nach dem Beginn seiner Erwerbstätigkeit in einem für die Arbeitsfähigkeit wesentlichen Ausmaß verschlechtert hat. Ein bereits vor Beginn der Erwerbstätigkeit eingetretener und damit in das Versicherungsverhältnis eingebrachter, im Wesentlichen unveränderter körperlicher oder geistiger Zustand kann daher bei Leistungen aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit nicht zum Eintritt des Versicherungsfalls führen. Der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit bezweckt somit den Schutz des Versicherten vor den Auswirkungen einer körperlich oder geistig bedingten Herabsetzung seiner Arbeitsfähigkeit, nicht aber den Schutz des Versicherten vor einer Veränderung seiner Arbeitsbedingungen. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die beim Kläger schon seit seiner Geburt bestehende und im Wesentlichen unveränderte Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des linken Arms vermöge auch im Hinblick auf die in seinem erlernten Beruf als Einzelhandelskaufmann mittlerweile allgemein notwendige Bedienung von EDV-Geräten eine Berufsunfähigkeit des Klägers iSd § 273 Abs 1 ASVG nicht zu begründen, steht daher im Einklang mit der stRsp des OGH in vergleichbaren Fällen.

Eine Berufsunfähigkeit des Klägers iSd § 273 Abs 2 iVm § 255 Abs 7 ASVG kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil sie nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut voraussetzen würde, dass der Versicherte bereits vor der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außer Stande gewesen wäre, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen. Davon kann aber beim Kläger im Hinblick auf den festgestellten Berufsverlauf keine Rede sein.