03.02.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Auslegung von Betriebsvereinbarungen

Der normative Teil der Betriebsvereinbarung unterliegt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln; maßgebend ist daher, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann


Schlagworte: Arbeitsverfassungsrecht, Betriebsvereinbarung, Auslegung
Gesetze:

§§ 29 ff ArbVG, § 6 ABGB, § 7 ABGB

GZ 9 ObA 3/10x, 22.12.2010

OGH: Bei der gegenständlichen Betriebsvereinbarung handelt es sich um eine "echte" Betriebsvereinbarung, die auch Bereiche regelt, die zwar sonst den Kollektivvertragsparteien vorbehalten sind, durch ausdrückliche Ermächtigungen im Kollektivvertrag aber auch mit Betriebsvereinbarung geregelt werden können. Der normative Teil dieser Betriebsvereinbarung unterliegt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Maßgebend ist daher, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann, hingegen sind Erwägungen über allfällige Motive der Änderung der Kollektivnorm als auch von einem Kollektivvertragspartner (Betriebsvereinbarungspartner) einseitig vorgenommene Interpretationen unerheblich.

Den Kollektivvertragsparteien, aber auch den Partnern einer Betriebsvereinbarung ist grundsätzlich zu unterstellen, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, sodass bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben ist, die diesen Anforderungen am meisten entspricht.