03.02.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Austrittsgrund der (dauerhaften) Gesundheitsgefährdung gem § 26 Z 1 zweiter Fall AngG

Auch eine konkrete psychische Belastungssituation am Arbeitsplatz, der nicht durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch Gestaltung der Arbeitssituation, begegnet werden kann, kann einen vorzeitigen Austritt rechtfertigen


Schlagworte: Angestelltenrecht, Austritt, Gesundheitsgefährdung
Gesetze:

§ 26 Z 1 AngG

GZ 8 ObA 78/10v, 23.11.2010

OGH: Der Austrittsgrund der (dauerhaften) Gesundheitsgefährdung gem § 26 Z 1 zweiter Fall AngG ist nach der Rsp verwirklicht, wenn durch die Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit für den Dienstnehmer eine aktuelle Gefahr für seine Gesundheit besteht und ihm aus diesem Grund die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Zwischen der Dienstleistung und der Gesundheitsgefährdung muss ein kausaler Zusammenhang bestehen. Im Allgemeinen wird eine Grenze dort gezogen, wo die Gründe für die Gesundheitsgefährdung vorwiegend im privaten Umfeld des Dienstnehmers zu finden sind und der Bezug zur Dienstleistung gar nicht oder nur in sehr geringem Umfang gegeben ist. Nach der Rsp können aber auch die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz (zB Mobbing) oder das Arbeitsklima (zB degradierende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen) eine zum Austritt berechtigende Gesundheitsbeeinträchtigung bewirken. In diesem Sinn ist es ebenso denkbar, dass eine konkrete psychische Belastungssituation am Arbeitsplatz, der nicht durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch Gestaltung der Arbeitssituation, begegnet werden kann, einen vorzeitigen Austritt rechtfertigt.

Die Frage, ob den betrieblichen Vorfällen und ihren gesundheitlichen Auswirkungen ein solches Gewicht zukommt, das sie zum Austritt berechtigen, lässt sich nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen.

Die in der außerordentlichen Revision angesprochene Frage nach der Heilungsfähigkeit betrifft die zeitliche Komponente der Gesundheitsgefährdung. Ausgehend von den Feststellungen ist die Verneinung der Therapie- und Heilungsmöglichkeit im Fall der Aufrechterhaltung der Arbeitstätigkeit bei der Beklagten jedenfalls vertretbar, zumal die psychische Belastungssituation für die Klägerin gerade im Arbeitsklima bei der Beklagten begründet war. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin nach ihrer Kündigung die Angestelltentätigkeit bei einem anderen Dienstgeber wieder aufnehmen konnte. Nach den Feststellungen stand die Erkrankung der Klägerin gerade mit dem "Ort des Geschehens" im Zusammenhang.