17.02.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Schwerversehrter - ist eine wegen Pensionsgewährung weggefallene Betriebsrente nach § 148i Abs 1 BSVG in die Bemessung der Versehrtenrente nach § 205 Abs 4 ASVG einzubeziehen?

Die Eigenschaft als Schwerversehrter und die damit verbundene Gewährung einer Zusatzrente nach § 205a ASVG setzt einen weiterhin bestehenden Anspruch auf eine Versehrtenrente von mindestens 50 vH oder auf mehrere Versehrtenrenten, deren Hundertsätze zusammen die Zahl 50 erreichen, voraus


Schlagworte: Allgemeines Sozialversicherungsrecht, Bauern, Schwerversehrter, Zusatzrente, wegen Pensionsgewährung weggefallene Betriebsrente, Abfindung
Gesetze:

§ 205 Abs 4 ASVG, § 148i BSVG, § 205a ASVG, § 149e Abs 3 BSVG

GZ 10 ObS 175/10y [1], 21.12.2010

Der Revisionswerber macht geltend, aus den Gesetzesmaterialien zur 22. BSVG-Novelle gehe hervor, dass der Wegfall der Betriebsrente nach § 148i Abs 1 BSVG nicht einem Erlöschen des Anspruchs auf Betriebsrente gleichzusetzen sei, weil an die Stelle der künftigen Betriebsrente der Kapitalbetrag trete. In den EB werde auch eingeräumt, dass eine amtswegige Abfindung der Betriebsrente bei Schwerversehrten bedenklich sein und möglicherweise zu Ungleichbehandlungen führen könne. Es liege daher im Hinblick auf die Abfindung mit der Betriebsrente kein Erlöschen des Anspruchs, sondern nur ein Wechsel der Auszahlungsweise vor. Es sei nicht sachgerecht, eine wegen Pensionsgewährung weggefallene Betriebsrente nach dem BSVG nicht mehr in die Bemessung der Versehrtenrente nach § 205 Abs 4 ASVG einzubeziehen. Beim Kläger bestehe aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 7. 11. 2006 weiterhin eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vH und er habe weiterhin kapitalisiert abgegoltene Ansprüche aus den Folgen dieses Arbeitsunfalls.

OGH: Es trifft zwar grundsätzlich zu, dass der Wegfall der Betriebsrente nicht einem Erlöschen des Anspruchs gleichzusetzen ist, weil an die Stelle der künftigen Betriebsrente der Kapitalbetrag tritt. Die Leistung der kapitalisierten Einmalzahlung beendet aber jedenfalls den laufenden Leistungsbezug des Versehrten aus der Unfallversicherung und es ist somit in diesem Fall mit dem Wegfall der Betriebsrente auch der Anspruch auf diese Leistung untergegangen.

Für den Fall einer freiwilligen Abfindung der Betriebsrente nach § 148j Abs 1 BSVG hat der Gesetzgeber ausdrücklich festgelegt, dass bei der Beurteilung einer Schwerversehrtheit (§ 149e Abs 3 BSVG) das Ausmaß der Betriebsrente zum Zeitpunkt der Abfindung zu berücksichtigen ist. Es sind somit bei einer freiwilligen Abfindung der Betriebsrente nach § 148j Abs 1 BSVG bei der Beurteilung der Schwerversehrteneigenschaft auch abgefundene Renten bzw Rententeile zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Bestimmung des § 148j Abs 4 BSVG zu verweisen, wonach der Anspruch auf Rente trotz der (freiwilligen) Abfindung gem Abs 1 besteht, solange die Folgen des Arbeitsunfalls oder der Berufskrankheit nachträglich eine wesentliche Verschlimmerung (§ 148h Abs 1 zweiter Satz BSVG) erfahren. Eine vergleichbare Regelung hat der Gesetzgeber für den im gegenständlichen Verfahren zu beurteilenden Fall einer verpflichtenden Abfindung des Rentenbezugs bei Pensionsanfall gem § 148j Abs 2 BSVG hingegen nicht vorgesehen.

Daraus ist zweifellos der Schluss zu ziehen, dass sich der Gesetzgeber der Problematik der Abfindung von Betriebsrenten bei der Beurteilung der Schwerversehrteneigenschaft sehr wohl bewusst war. Er wollte aber ganz offenbar die Berücksichtigung abgefundener Betriebsrenten bzw Rententeile bei der Beurteilung der Schwerversehrteneigenschaft nur bei einer (freiwilligen) Abfindung von Renten nach § 148j Abs 1 BSVG normieren, bei der Rententeile auch nach der Zahlung der Abfindung weitergewährt werden und bei der im Fall einer wesentlichen Verschlimmerung der Folgen des Arbeitsunfalls oder der Berufskrankheit ein Wiederaufleben des Anspruchs auf Betriebsrente vorgesehen ist, während bei der verpflichtenden Abfindung des Rentenbezugs bei Betriebsaufgabe oder Pensionsanfall gem § 148j Abs 2 BSVG der laufende Rentenbezug durch die Leistung einer kapitalisierten Einmalzahlung jedenfalls beendet wird.

Unter Berücksichtigung dieser zu der vergleichbaren Rechtslage nach dem BSVG dargelegten Erwägungen schließt sich der erkennende Senat der am Gesetzeswortlaut orientierten Auslegung des § 205 Abs 4 ASVG durch das Berufungsgericht an, wonach die Eigenschaft als Schwerversehrter und die damit verbundene Gewährung einer Zusatzrente nach § 205a ASVG einen weiterhin bestehenden Anspruch auf eine Versehrtenrente von mindestens 50 vH oder auf mehrere Versehrtenrenten, deren Hundertsätze zusammen die Zahl 50 erreichen, voraussetzt. Soweit der Kläger darauf verweist, dass bei ihm weiterhin die festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vH der Vollrente aus dem Arbeitsunfall vom 7. 11. 2006 bestehe, ist dem entgegenzuhalten, dass die Schwerversehrteneigenschaft nicht allein auf den festgestellten Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Versehrten, sondern auf einen Anspruch des Versehrten auf eine entsprechende Versehrtenrente abstellt.