24.06.2006 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Im Falle des § 1162d ABGB liegt keine Verjährungsfrist, sondern eine Präklusivfrist vor


Schlagworte: Arbeitsrecht, Günstigkeitsvergleich, außergerichtliche Geltendmachung
Gesetze:

§ 20 KV für das Bewachungsgewerbe, § 1162d ABGB

In seinem Erkenntnis vom 04.05.2006 zur GZ 9 ObA 141/05h hatte sich der OGH mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die im § 1162d ABGB vorgesehene Frist für die Geltendmachung von Ansprüchen wegen vorzeitigem Austritt oder vorzeitiger Entlassung durch eine kollektivvertragliche Regelung verkürzt werden kann:

Den vom Kläger geltend gemachten Ansprüchen, die auf dessen unberechtigter Entlassung beruhen, wurde seitens der Beklagten entgegen gehalten, dass der Anspruch auf Kündigungsentschädigung verfristet sei, weil der Kläger die Frist des § 1162c ABGB nicht eingehalten habe. Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt, weil der Kläger seine Ansprüche innerhalb der im Kollektivvertrag vorgesehenen Frist außergerichtlich geltend gemacht habe und damit die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren gewahrt worden sei.

Der OGH führte dazu aus: Die in einem Kollektivvertrag vorgesehene Abweichung von einer gesetzlichen Regelung ist nur dann wirksam, wenn diese insgesamt für den Arbeitnehmer als günstiger anzusehen ist. Ein derartiger Günstigkeitsvergleich ist nach objektiven Kriterien ex ante vorzunehmen, die subjektive Einschätzung durch den Arbeitnehmer oder -geber hat hingegen außer Betracht zu bleiben. Die im Kollektivvertrag vorgesehene Frist von 4 Monaten für die außergerichtliche Geltendmachung der Ansprüche des Arbeitnehmers ist insgesamt als günstiger anzusehen, weil die Hemmschwelle im Vergleich zur Erhebung einer Klage im Falle der Geltendmachung durch ein bloß formloses Schreiben als niedriger anzusehen ist und sich auch Erwägungen zum Prozesskostenrisiko erübrigen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die im Kollektivvertrag dafür vorgesehene Frist im Gegensatz zur 6-monatigen Klagefrist nur 4 Monate beträgt.