17.03.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Wählbarkeitsmangel bei der Betriebsratswahl und Kündigung

Das Fehlen der Wählbarkeit begründet nicht die Nichtigkeit der Wahl iSd § 60 ArbVG; aus der speziellen Regelung des § 64 Abs 4 ArbVG folgt, dass die Mandatsaberkennungsklage im Fall der Geltendmachung des Fehlens der Wählbarkeit durch den Betriebsinhaber der allgemeinen Anfechtungsklage wegen Verletzung wesentlicher Bestimmungen des Wahlverfahrens oder leitender Grundsätze des Wahlrechts nach § 59 ArbVG vorgeht


Schlagworte: Arbeitsverfassungsrecht, Betriebsrat, Wahl, fehlendes passives Wahlrecht, Mandatsaberkennungsklage, Nichtigkeit, Entlassungsschutz
Gesetze:

§ 64 Abs 4 ArbVG, § 59 ArbVG, § 60 ArbVG, § 120 Abs 1 ArbVG

GZ 9 ObA 47/10t, 24.11.2010

OGH: In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass ein Mitglied des Betriebsrats gem § 120 Abs 1 ArbVG bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit nur nach vorheriger Zustimmung des Gerichts entlassen werden darf. Gem § 64 Abs 4 ArbVG ist die Mitgliedschaft zum Betriebsrat vom Gericht aufgrund einer Klage abzuerkennen, wenn das Mitglied die Wählbarkeit nicht oder nicht mehr besitzt. Zu dieser Klage sind der Betriebsrat, jedes Betriebsratsmitglied und der Betriebsinhaber berechtigt. Daraus folgt einerseits, dass das Fehlen der Wählbarkeit nicht die Nichtigkeit der Wahl iSd § 60 ArbVG begründet, weil es sonst nicht der Normierung einer Mandatsaberkennungsklage bedurft hätte, wenn die Betriebsratswahl ohnehin nichtig wäre. Andererseits folgt aus der speziellen Regelung des § 64 Abs 4 ArbVG, dass sie im Fall der Geltendmachung des Fehlens der Wählbarkeit durch den Betriebsinhaber der allgemeinen Anfechtungsklage wegen Verletzung wesentlicher Bestimmungen des Wahlverfahrens oder leitender Grundsätze des Wahlrechts nach § 59 ArbVG vorgeht.

Bei der Mandatsaberkennungsklage nach § 64 Abs 4 ArbVG handelt es sich um eine Rechtsgestaltungsklage mit ex-nunc-Wirkung. Solange sie nicht erfolgreich erhoben wurde, kann sich niemand auf die erst mit dieser Klage erzielbare Gestaltung, nämlich die Aberkennung der Mitgliedschaft zum Betriebsrat, berufen. Wurde nun der seit 1. 6. 1996 bei der Beklagten beschäftigte Kläger nach den Feststellungen bei der Betriebsratswahl vom 23. 2. 2005 zum Mitglied des Betriebsrats gewählt und fand bis zu seiner ohne gerichtliche Zustimmung erfolgten Entlassung vom 18. 4. 2008 keine Aberkennung der Mitgliedschaft zum Betriebsrat statt, dann kann sich die Beklagte im gegenständlichen Verfahren des Klägers auf Feststellung des aufrechten Arbeitsverhältnisses zufolge unwirksamer Entlassung nach § 120 Abs 1 ArbVG nicht auf das angeblich fehlende passive Wahlrecht des Klägers bei der Betriebsratswahl vom 23. 2. 2005 berufen.