07.04.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Arbeitsunfall iSd § 148c BSVG iZm Reinigung von (Betriebs)Gebäuden

Eine Tätigkeit, die zum Teil im betrieblichen und zum Teil im privaten Interesse entfaltet wird, steht unter Unfallversicherungsschutz, sofern die betrieblichen Interessen gegenüber den privaten nicht erheblich in den Hintergrund treten


Schlagworte: Bauernsozialversicherungsrecht, Unfallversicherung, Arbeitsunfall, Reinigung von (Betriebs)Gebäuden, hauswirtschaftliche Tätigkeiten
Gesetze:

§ 148c BSVG

GZ 10 ObS 149/10z, 01.03.2011

OGH: Nach § 148c Abs 1 BSVG sind Arbeitsunfälle Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Tätigkeit ereignen. Gem § 148c Abs 2 Z 3 BSVG gelten in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb auch Unfälle, die sich bei hauswirtschaftlichen Tätigkeiten ereignen, als Arbeitsunfälle, wenn der Haushalt dem Betrieb wesentlich dient.

Der Umfang der betrieblichen Tätigkeit im bäuerlichen Bereich ist durch das Gesetz sehr weit gezogen. Alle Tätigkeiten, die der Erhaltung oder Verbesserung der Organisation des landwirtschaftlichen Betriebs dienen, sind als Betriebstätigkeiten iSd (nunmehr) § 148c Abs 1 BSVG anzusehen, da sie mit der Verwirklichung der Zielsetzungen eines landwirtschaftlichen Betriebs in einem untrennbaren Zusammenhang stehen. Dabei ist zu prüfen, ob die entfaltete Tätigkeit nach objektiven Gesichtspunkten dazu dient, und ob sie subjektiv auch in dieser Intention entfaltet wurde. Lässt sich, wie dies bei bäuerlichen Anwesen häufig der Fall ist, der betriebliche und private Bereich wegen der gemischten Nutzung nicht klar trennen, so beginnt der Versicherungsschutz dort, wo der abgrenzbare rein private Bereich aufhört und ein auch wesentlich betrieblichen Zwecken dienender Bereich anzunehmen ist. Die Arbeiten müssen sich im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs halten. In diesem Sinne verneinte der OGH in der Entscheidung 10 ObS 9/89 den Versicherungsschutz für Arbeiten an einer vor dem Wohnhaus gelegenen Terrasse, weil diese ausschließlich dem privaten Komfort der Bewohner diente. Hingegen wurde der Versicherungsschutz bei Abbrucharbeiten an einem Wohntrakt (Entfernung eines über der Düngerstätte und dem Holzlagerplatz gelegenen Balkons) bejaht, sofern die Arbeiten unmittelbar im Interesse des landwirtschaftlichen Betriebs liegen.

Auch die Reinigung von Betriebsgebäuden gehört zu den betriebsbezogenen Tätigkeiten. In der einen ähnlichen Sachverhalt betreffenden Entscheidung 10 ObS 351/90 hatte die (damalige) Klägerin Reinigungsarbeiten auf einem Teil der Liegenschaft ausgeführt, der zum Teil privaten (Zugang zum Wohngebäude), und zum Teil betrieblichen (Zugang zur Tenne, Verwahrung von Geräten, Abstellen des Traktors) Zwecken gewidmet war. Ihre Tätigkeit diente daher ebenso zum Teil privaten und zum Teil betrieblichen Zwecken. Der OGH führte in dieser Entscheidung aus, dass eine Tätigkeit, die zum Teil im betrieblichen und zum Teil im privaten Interesse entfaltet wird, unter Unfallversicherungsschutz steht, sofern die betrieblichen Interessen gegenüber den privaten nicht erheblich in den Hintergrund treten. Hätten diese Reinigungsarbeiten für den Betrieb nur eine ganz untergeordnete Bedeutung gehabt, so wäre die (damalige) Klägerin nicht im Betrieb tätig und daher nicht aus diesem Grund in der Unfallversicherung geschützt gewesen. Ihre Tätigkeit hätte dann nur dem Haushalt zugerechnet werden können und ein Arbeitsunfall wäre in diesem Fall gem § 175 Abs 3 Z 1 ASVG (nunmehr § 148c Abs 2 Z 3 BSVG) nur vorgelegen, wenn der Haushalt dem Betrieb wesentlich gedient hätte. Der OGH erachtete daher die Frage, welche Reinigungsarbeiten die (damalige) Klägerin durchführen wollte und ob damit ihre Tätigkeit dem Betrieb in einem den Schutz in der Unfallversicherung begründenden Ausmaß gedient hätte, für noch klärungsbedürftig.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin ausdrücklich behauptet, sie sei bei der Reinigung des Stiegenaufgangs ihres landwirtschaftlichen Betriebs gestürzt und die von ihr gereinigten Stiegen seien Teil ihres landwirtschaftlichen Betriebs. Die vom Erstgericht dazu allein getroffene Feststellung, die Klägerin sei zur Unfallszeit "mit der Reinigung der Stiegenaufgänge des landwirtschaftlichen Betriebs beschäftigt gewesen", reicht zur Beurteilung der entscheidungswesentlichen Frage, ob die von der Klägerin am Unfallstag verrichteten Reinigungsarbeiten ihrem Betrieb in einem den Schutz in der Unfallversicherung begründenden Ausmaß gedient haben, nicht aus. Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren zu klären haben, ob bzw in welchem Ausmaß die von der Klägerin am Unfallstag durchgeführten Reinigungsarbeiten Stiegenaufgänge betrieblich oder privat genutzter Gebäudeteile betroffen haben und diese Arbeiten damit auch wesentlich betrieblichen Zwecken dienlich gewesen sind. So wäre die Reinigung eines betrieblich genutzten Gebäudeteils, die zur Gewährleistung dieser betrieblichen Nutzung vorgenommen wird, nicht als Haushaltstätigkeit, sondern als Tätigkeit für den landwirtschaftlichen Betrieb anzusehen. Auf subjektiver Seite wäre zur Begründung des "ursächlichen Zusammenhangs" erforderlich, dass das den Unfall herbeiführende Verhalten von der Absicht und dem Entschluss der Klägerin bestimmt war, (auch) die Interessen des Betriebs zu fördern.

Hätten diese Reinigungsarbeiten der Klägerin für den von ihr geführten Betrieb hingegen keine oder eine nur ganz untergeordnete Bedeutung gehabt, hätte ihre Tätigkeit nur ihrem Haushalt zugerechnet werden können und ein Arbeitsunfall wäre dann gem § 148c Abs 2 Z 3 BSVG nur vorgelegen, wenn der Haushalt dem Betrieb wesentlich gedient hätte. Das Berufungsgericht hat unter Hinweis auf die stRsp des OGH in vergleichbaren Fällen zutreffend begründet, dass unter den festgestellten Umständen der Haushalt dem landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin nicht wesentlich diente.