14.04.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Frage der Zulässigkeit der Nebenintervention der Pensionsversicherungsanstalt, die den (behaupteten) Überbezug einer Ausgleichszulage im Wege der sozialversicherungsrechtlich normierten Aufrechnung durch einen anderen Versicherungsträger gegen die Pensionsnachzahlung geltend macht

Ein rechtliches Interesse der Nebenintervenientin ist schon deshalb zu bejahen, weil sie weiterhin Trägerin des materiellen Rechtsverhältnisses (Forderungsinhaberin) ist, auch wenn die Rückersatzforderung im Verfahren formell von der Beklagten geltend gemacht wird


Schlagworte: Pensionsversicherung, Ausgleichszulage, Überbezug, Rückersatzforderung, Nebenintervention, rechtliches Interesse
Gesetze:

§ 296 Abs 4 ASVG, § 153 Abs 4 GSVG, § 17 ZPO

GZ 10 ObS 183/10z, 01.02.2011

Die Nebenintervenientin (Pensionsversicherungsanstalt) macht geltend, der Sozialversicherungsträger habe iSd hier gegenständlichen Bestimmungen des § 296 Abs 4 ASVG bzw § 153 Abs 4 GSVG einen Überbezug an Ausgleichszulage gegen die Pensionsnachzahlung aufzurechnen, wenn durch eine rückwirkende Zuerkennung oder Erhöhung einer Leistung aus einer Pensionsversicherung ein Überbezug an Ausgleichszulage entstehe. Die Beklagte habe daher im Hinblick auf diese Rechtslage zu Recht gegenüber dem Kläger, dessen Nachzahlung an Pensionsleistung den Überbezug einer Ausgleichszulage durch seine Gattin zur Folge gehabt habe, eine Aufrechnung vorgenommen. Da der Überbezug einer Ausgleichszulage dadurch entstanden sei, dass der Gattin des Klägers seinerzeit der Familienrichtsatz gewährt worden sei, habe der Ausgang des gegenständlichen Verfahrens in materiell-rechtlicher Hinsicht unmittelbare Auswirkung auf die Rechtsstellung der Nebenintervenientin. Die Nebenintervenientin habe daher ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Beklagten.

OGH: Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Person obsiege, kann dieser Partei nach § 17 Abs 1 ZPO im Rechtsstreit als Nebenintervenient beitreten. Nach hRsp ist dieses von § 17 Abs 1 ZPO geforderte rechtliche Interesse am Obsiegen einer Partei im Rechtsstreit regelmäßig gegeben, wenn die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf die privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Nebenintervenienten günstig oder ungünstig einwirkt. Das rechtliche Interesse muss allerdings ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse hinausgeht. Dabei ist kein strenger Maßstab anzulegen; es genügt vielmehr, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt.

Im vorliegenden Fall beruft sich die Nebenintervenientin auf die nach den Bestimmungen des § 296 Abs 4 ASVG bzw § 153 Abs 4 GSVG bestehende Möglichkeit, Überbezüge an Ausgleichszulage, die durch eine rückwirkende Zuerkennung oder Erhöhung einer Leistung aus einer Pensionsversicherung entstehen, gegen die Pensionsnachzahlung aufzurechnen. Eine für die Vergangenheit zuerkannte Pension bzw durchgeführte Erhöhung der Pension mindert den Anspruch auf Ausgleichszulage. Ist diese bereits ausbezahlt worden, kann dieser Übergenuss an Ausgleichszulage gegen die auch dem anderen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten zustehende Pensionsnachzahlung aufgerechnet werden.

Die Bestimmung des § 296 Abs 4 ASVG bzw § 153 Abs 4 GSVG lässt nicht nur die Aufrechnung gegen Pensionszahlungen nach dem ASVG bzw GSVG, sondern gegen Nachzahlungen aus jedem - auch ausländischen - Pensionssystem zu. Zur Aufrechnung mit dem Überbezug an Ausgleichszulage kann die gesamte Pensionsnachzahlung herangezogen werden. Diese Aufrechnungsmöglichkeit entspricht dem Rechtsgedanken, dass eine zunächst gebührende und rechtmäßig ausgezahlte Ausgleichszulage nicht behalten werden darf, wenn sich nachträglich durch rückwirkende Zuerkennung (oder Erhöhung) einer Leistung aus einer Pensionsversicherung ergibt, dass der Richtsatz erreicht oder überstiegen worden wäre, wenn diese Pensionsleistung früher zuerkannt worden wäre. Andernfalls würde es rückwirkend betrachtet zu einer Bereicherung des Pensionisten um die während des sich überschneidenden Zeitraums bezogene Ausgleichszulage kommen.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte im verfahrensgegenständlichen Bescheid hinsichtlich eines Teilbetrags von 14.991,28 EUR der vom Kläger bezogenen Nachzahlung an Erwerbsunfähigkeitspension einen Rückforderungstatbestand gem § 76 GSVG sowie die erwähnte Aufrechnungsmöglichkeit nach § 296 Abs 4 ASVG geltend gemacht. Wie bereits das Rekursgericht an sich zutreffend ausgeführt hat, macht die Beklagte den Überbezug an Ausgleichszulage, den sie für die Nebenintervenientin einhebt, nicht aus eigenem Recht sondern als Vertreterin der Nebenintervenientin geltend. Die Nebenintervenientin bleibt demnach Gläubigerin dieser Rückersatzforderung an von ihr (wie behauptet) an die Gattin des Klägers zu viel geleisteter Ausgleichszulage, wobei diese Rückersatzforderung nunmehr nach der bereits dargelegten Rechtslage auch gegen den Kläger geltend gemacht werden kann. Ein rechtliches Interesse der Nebenintervenientin ist daher schon deshalb zu bejahen, weil sie weiterhin Trägerin des materiellen Rechtsverhältnisses (Forderungsinhaberin) ist, auch wenn diese Forderung im Verfahren formell von der Beklagten geltend gemacht wird. Die Entscheidung in dem hier zu beurteilenden Verfahren berührt somit unmittelbar die Rechtsposition der Nebenintervenientin, sodass das Erstgericht im Ergebnis zu Recht deren Berechtigung zum Beitritt im Verfahren bejaht hat.