21.04.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Frage, ob Essensmarken im Hinblick auf das Ausfallsprinzip auch während des Krankenstands und des Urlaubs zustehen und ob die entsprechenden Beträge in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Abfertigung einzubeziehen sind

Da Essensgutscheine in Zeiten der Arbeitsverhinderung den Zweck einer arbeitsökonomischen Nahrungsaufnahme verfehlten und, mangels Arbeitsleistung, keine arbeitsbedingten Mehrkosten der Nahrungsaufnahme außer Haus abgelten könnten, sind sie - freilich vorbehaltlich einer gegenteiligen vertraglichen Vereinbarung - nicht in den der Entgeltfortzahlung zugrunde liegenden Entgeltbegriff miteinzubeziehen


Schlagworte: Entgelt, Essensmarken, Krankenstand, Urlaub, Abfertigung, Aufwandsentschädigung, Ausfallsprinzip
Gesetze:

§ 6 UrlG, § 3 EFZG, § 8 AngG, § 23 AngG, § 3 Abs 1 Z 17 EStG

GZ 9 ObA 121/10z, 28.02.2011

OGH: Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Geldersatz für die in Zeiten des Urlaubs, Krankenstands und von Freizeit nicht iSd § 3 Abs 1 Z 17 EStG konsumierbaren Essensmarken steht ihr dann zu, wenn die vertragliche Beschränkung der Gewährung von Essensmarken auf Arbeitstage gegen zwingendes Recht, insbesondere gegen die Bestimmungen des § 6 UrlG und § 3 EFZG bzw § 8 AngG, verstößt. Diese Bestimmungen gehen vom Ausfallsprinzip aus, nach dem der Arbeitnehmer während eines Urlaubs oder Krankenstands grundsätzlich jenes Entgelt zu erhalten hat, das er verdient hätte, wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte. Da die Bestimmungen zugunsten des Arbeitnehmers unabdingbar sind, kann die Geltung des Ausfallsprinzips nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.

Der als Berechnungsbasis heranzuziehende Entgeltbegriff ist dabei weit auszulegen. Unter ihm ist nach hLuRsp jede Art von Leistung zu verstehen, die dem Arbeitnehmer für die zur Verfügungstellung seiner Arbeitskraft gewährt wird. Es kommt auf die Funktion der jeweiligen Leistung als Abgeltung der Arbeitsleistung, nicht aber auf die Bezeichnung, die steuer- oder die sozialrechtliche Beurteilung an. Vom Entgeltbegriff sind daher auch Akkordlöhne und Prämien, Zuschläge, Zulagen (ohne Aufwandersatzcharakter), Provisionen, Sonderzahlungen, Entfernungszulagen und Gewinnbeteiligungen oder anstelle einer Ist-Gehaltserhöhung vereinbarte Mitarbeiterbeteiligungen erfasst, nicht aber echte Aufwandsentschädigungen, Trinkgelder sowie Sozialleistungen des Arbeitgebers, auch wenn sie regelmäßig geleistet werden.

Ob eine bestimmte Leistung des Arbeitgebers unter den Begriff des Entgelts fällt oder aber als Aufwandsentschädigung anzusehen ist, bestimmt sich allein danach, ob und inwieweit sie lediglich der Abdeckung eines konkreten finanziellen Aufwands des Arbeitnehmers dient oder (auch) Gegenleistung für die Bereitstellung seiner Arbeitskraft ist. Als Aufwandersatz gelten etwa das Kilometergeld, Diäten oder eine Schmutzzulage, soweit dadurch ein Mehraufwand für Reinigung abgegolten wird. Wird ein Aufwand des Arbeitnehmers überhöht abgegolten, dann handelt es sich nur im Umfang des tatsächlichen Aufwands um Aufwandersatz, darüber hinaus jedoch um Entgelt.

Sach- (Natural-)Leistungen bedürfen der Differenzierung: Auch sie können der Abgeltung eines konkreten Aufwands des Arbeitnehmers dienen (zB Straßenbahnnetzkarte) oder aber als Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vereinbart werden, wodurch sie grundsätzlich Entgelt darstellen (zB: Dienstwagen zur privaten Nutzung, Freiflüge, verbilligter Strombezug, Einkaufsgutscheine uva). Haben sie Entgeltcharakter, kann die Gewährung von Zusatzleistungen aufgrund der zwingenden Entgeltfortzahlungsbestimmungen auch nicht an die Voraussetzung der ständigen oder partiellen Betriebsanwesenheit geknüpft werden.

Beachtlich ist aber auch, dass sowohl § 2 Abs 1 des Generalkollektivvertrags über den Begriff des Entgelts gem § 6 UrlG als auch § 2 Abs 1 des Generalkollektivvertrags über den Begriff des Entgelts gem § 3 EFZG vom Entgeltbegriff des § 6 UrlG und des § 3 EFZG Aufwandsentschädigungen sowie jene Sachbezüge und sonstigen Leistungen ausnehmen, welche wegen ihres unmittelbaren Zusammenhangs mit der Erbringung der Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer während des Urlaubs bzw einer Arbeitsverhinderung nicht in Anspruch genommen werden können. Als derartige Leistungen werden in beiden Generalkollektivverträgen demonstrativ Tages- und Nächtigungsgelder, Trennungsgelder, Entfernungszulagen, Fahrtkostenvergütungen, freie oder verbilligte Mahlzeiten oder Getränke, die Beförderung der Arbeitnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf Kosten des Arbeitgebers sowie der teilweise oder gänzliche Ersatz der tatsächlichen Kosten für Fahrten des Arbeitnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genannt.

Führt man sich den Sinn des Entgeltfortzahlungsprinzips, Arbeitnehmer im Falle einer Arbeitsverhinderung wirtschaftlich nicht zu benachteiligen, vor Augen, so sind generell solche Sachleistungen von der Entgeltfortzahlung auszunehmen, die ihrer Natur nach derart eng und untrennbar mit der Erbringung der aktiven Arbeitsleistung am Arbeitsplatz verbunden sind, dass sie ohne Arbeitsleistung nicht widmungsgemäß konsumiert werden könnten und ihre Weitergewährung während einer Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers nach dem mit ihnen verbundenen Zweck ins Leere ginge.

Bedenkt man nun, dass der Zweck der Gewährung freier oder verbilligter Mahlzeiten am Arbeitsplatz primär in den arbeitsökonomischen Vorteilen einer solchen Verköstigung während des Arbeitstags liegt, weil sie im Interesse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Konzentration der Arbeitszeit ermöglicht (keine Notwendigkeit von Heimfahrten zur Nahrungsaufnahme), ergibt sich daraus der unmittelbare Zusammenhang der Zuwendung dieser Leistung mit der konkreten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. In dieselbe Richtung weist auch die Erwägung, dass mit dieser Zuwendung auch der sonst typischerweise höhere finanzielle Aufwand eines Arbeitnehmers für arbeitsbedingt außer Haus konsumierte Mahlzeiten verringert oder vermieden werden kann. Nichts anderes trifft aber auf Essensgutscheine zu, die - ebenso wie eine freie oder verbilligte Mahlzeit am Arbeitsplatz - widmungsgemäß nur am Arbeitsplatz oder in einer nahen Gaststätte zur dortigen Konsumation eingelöst werden können. Da auch sie in Zeiten der Arbeitsverhinderung den Zweck einer arbeitsökonomischen Nahrungsaufnahme verfehlten und, mangels Arbeitsleistung, keine arbeitsbedingten Mehrkosten der Nahrungsaufnahme außer Haus abgelten könnten, sind sie - freilich vorbehaltlich einer gegenteiligen vertraglichen Vereinbarung - nicht in den der Entgeltfortzahlung zugrunde liegenden Entgeltbegriff miteinzubeziehen. Damit scheidet auch eine Entschädigung in Form einer Geldersatzleistung aus.

Unschädlich ist auch, dass die Klägerin nicht den genannten Generalkollektivverträgen unterliegt, da die gesetzliche Ermächtigung des § 6 Abs 5 UrlG und des § 3 Abs 5 EFZG, durch Kollektivvertrag zu regeln, welche Leistungen des Arbeitgebers als Entgelt nach diesen Bestimmungen anzusehen sind, einer entsprechenden Auslegung des Entgeltbegriffs außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Kollektivverträge nicht entgegensteht.

Schließlich kann dem nicht entgegen gehalten werden, dass sich die Klägerin anstelle einer Gehaltserhöhung für den steuerbegünstigten Bezug der Essensgutscheine entschieden hatte, können doch die ihr angebotenen Alternativen auch als solche zwischen einer (der Entgeltfortzahlung unterliegenden) Lohnerhöhung und einer (der Entgeltfortzahlung nicht unterliegenden, dafür sonst vorteilhafteren) Sachleistung verstanden werden.

Nach all dem sind die der Klägerin iSd § 3 Abs 1 Z 17 EStG gewährten Essensgutscheine im vorliegenden Fall nicht in die Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall miteinzubeziehen.

Zur Abfertigungsdifferenz:Auch der dem an den letzten Monatsbezug anknüpfenden Abfertigungsanspruch eines Dienstnehmers (§ 23 Abs 1 AngG) zugrundeliegende Entgeltbegriff ist weit auszulegen; er umfasst jede Leistung, die der Arbeitnehmer dafür bekommt, dass er dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Nicht unter den Entgeltbegriff des § 23 AngG fallen daher auch hier zB der zweckgebundene Aufwandersatz (Diäten, Kilometergeld, etc), eine Dienstkleidungspauschale, wenn die Leistungen des Arbeitgebers (zB Schuhe) nicht derart beschaffen sind, dass sie auch eine außerdienstliche Nutzung ermöglichen, weiters Jubiläumsgelder, Beiträge zu einer Pensionskasse im Rahmen einer Betriebspensionsregelung, Vergütungen für Diensterfindungen, Leistungen Dritter (zB Trinkgelder) oder Sozialleistungen aus Wohlfahrtseinrichtungen. Für die Frage, inwieweit Sachleistungen dem Entgeltbegriff zuzuzählen sind, müssen auch in diesem Zusammenhang die oben dargelegten Kriterien herangezogen werden, auf die zu verweisen ist. Sie schließen daher - wiederum vorbehaltlich einer gegenteiligen vertraglichen Vereinbarung - auch die Einbeziehung von iSd § 3 Abs 1 Z 17 EStG gewährten Essensgutscheinen in den Entgeltbegriff des § 23 Abs 1 AngG aus.