21.04.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Allgemeines, nicht an Gründe gebundenes Widerspruchsrechts des Arbeitnehmers beim Betriebsübergang?

Ein über die vorgesehenen Fälle hinausgehendes Widerspruchsrecht wird dort zu bejahen sein, wo ein den Widerspruchsgründen des § 3 Abs 4 AVRAG gleichgewichtiger Grund für den Widerspruch vorhanden war, darauf aber vom Gesetzgeber offenkundig nicht Bedacht genommen wurde; weiters kann sich in besonders gelagerten Einzelfällen ergeben, dass die "Person" des Arbeitgebers auch als Inhalt des Arbeitsvertrags anzusehen ist


Schlagworte: Betriebsübergang, (allgemeines) Widerspruchsrecht
Gesetze:

§ 3 Abs 4 AVRAG

GZ 8 ObA 41/10b, 22.02.2011

OGH: Das AVRAG gewährt dem Arbeitnehmer grundsätzlich nur in zwei besonderen Fällen das Recht, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses im Falle eines Betriebsübergangs zu widersprechen, und zwar in den Fällen der Nichtübernahme eines kollektivvertraglichen Bestandschutzes oder einer betrieblichen Pensionszusage (§ 3 Abs 4 AVRAG).

Es ist davon auszugehen, dass keine europarechtliche Verpflichtung zur Einräumung eines allgemeinen Widerspruchsrechts mit der Wirkung besteht, dass bei einem Betriebsübergang das Arbeitsverhältnis zum "Veräußerer" aufrecht bleibt.

Grundsätzlich kann aufgrund der klaren Gesetzeslage nicht von einem allgemeinen Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den "Erwerber" des Betriebs(-teils) ausgegangen werden.

Ein über die vorgesehenen Fälle hinausgehendes Widerspruchsrecht wird hingegen dort zu bejahen sein, wo ein den Widerspruchsgründen des § 3 Abs 4 AVRAG gleichgewichtiger Grund für den Widerspruch vorhanden war, darauf aber vom Gesetzgeber offenkundig nicht Bedacht genommen wurde.

Weiters kann sich in besonders gelagerten Einzelfällen ergeben, dass die "Person" des Arbeitgebers auch als Inhalt des Arbeitsvertrags anzusehen ist, wenn etwa auch zu Ausbildungszwecken ein Arbeitsverhältnis zu einem besonderen Künstler begründet wird.

Darüber hinaus hat der OGH ja auch in anderen Konstellationen bereits ausgesprochen, dass in Einzelfällen Rechtsmissbrauch vorliegen kann.

Unberührt bleibt ferner, dass der OGH wiederholt ausgesprochen hat, dass die Arbeitnehmer durch eine Vereinbarung zwischen allen betroffenen Parteien (Veräußerer, Erwerber, Arbeitnehmer) den Übergang vermeiden können, wenn der Verbleib beim ursprünglichen Arbeitgeber (iVm einer Arbeitskräfteüberlassung an den Erwerber) für die Arbeitnehmer günstiger ist.

Ebenfalls unberührt bleibt, dass der Arbeitnehmer eine iZm dem Betriebsübergang ausgesprochene, prinzipiell unwirksame Kündigung im Regelfall gegen sich wirken lassen und die Ansprüche aus der ungerechtfertigten Auflösung des Arbeitsverhältnisses geltend machen kann.