28.04.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Verspätete Krankmeldung - Rechtfertigung der Entlassung und Mitverschulden des Arbeitnehmers?

Die verspätete Krankmeldung kann zwar zum Entfall der Entgeltfortzahlung führen, begründet in der Regel aber keinen Entlassungsgrund; ob ausnahmsweise besondere Umstände das Verhalten des Arbeitnehmers als so pflichtwidrig erscheinen lassen, dass die Säumnis bei der Krankmeldung die Entlassung des Arbeitnehmers rechtfertigt, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab; die Mitverschuldensregel des § 1162c ABGB kann bei ungerechtfertigter vorzeitiger Auflösung nur dort greifen, wo der Erklärungsempfänger ein Verhalten gesetzt hat, das zusätzlich bzw unabhängig von dem für die vorzeitige Auflösung nicht ausreichenden Verhalten für die Auflösung kausal iSd Verursachung eines Informationsmangels des die Auflösung unberechtigt Erklärenden war


Schlagworte: Entlassung, verspätete Krankmeldung, Mitverschulden
Gesetze:

§ 1162 ABGB, § 27 AngG, § 82 GewO, § 1162c ABGB, § 8 Abs 8 AngG

GZ 9 ObA 45/10y, 30.03.2011

OGH: Die verspätete Krankmeldung kann zwar zum Entfall der Entgeltfortzahlung führen, begründet in der Regel aber keinen Entlassungsgrund. Ob ausnahmsweise besondere Umstände das Verhalten des Arbeitnehmers als so pflichtwidrig erscheinen lassen, dass die Säumnis bei der Krankmeldung die Entlassung des Arbeitnehmers rechtfertigt, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab.

Dass der Kläger bereits vor der gegenständlichen Entlassung aufgrund von Unzukömmlichkeiten bei einer früheren Krankmeldung von der Beklagten ermahnt worden wäre, kam nicht hervor. Der vorliegende Sachverhalt ist dadurch gekennzeichnet, dass der vom Kläger im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zu fahrende LKW bei der für die Toureneinteilung zuständigen Vertragspartnerin der Beklagten stand. Am ersten Tag seiner Erkrankung veranlasste der Kläger durch seinen Sohn bereits eine Stunde vor Dienstbeginn die Verständigung und Übergabe der Fahrzeugschlüssel an diese Vertragspartnerin. Die Beklagte wurde vom Kläger einige Stunden später vom Krankenstand verständigt. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass hier von keinem so gravierenden Fehlverhalten des Klägers gesprochen werden könne, das die Entlassung rechtfertige, ist vertretbar. Der Gefahr einer allfälligen Schädigung der Beklagten im Wege einer Schädigung ihrer Vertragspartnerin nahm der Kläger durch direkte Verständigung der Vertragspartnerin von seiner Erkrankung von vornherein die Spitze.

Das Verhalten, das erfolglos zur Begründung der Entlassung des Klägers herangezogen wurde, kann nicht zur Begründung eines allfälligen Mitverschuldens des Klägers an der Entlassung nach § 1162c ABGB herangezogen werden. Die Mitverschuldensregel kann bei ungerechtfertigter vorzeitiger Auflösung nur dort greifen, wo der Erklärungsempfänger ein Verhalten gesetzt hat, das zusätzlich bzw unabhängig von dem für die vorzeitige Auflösung nicht ausreichenden Verhalten für die Auflösung kausal iSd Verursachung eines Informationsmangels des die Auflösung unberechtigt Erklärenden war. Ein derartiges für die unberechtigte Entlassungserklärung der Beklagten kausales Verhalten des Klägers liegt jedoch hier nicht vor.