05.05.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld und § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung

Ein Härtefall ist nur gegeben, wenn eine bloß geringfügige Überschreitung der Grenzbeträge gem § 2 Abs 1 Z 3 und § 9 Abs 3 KBGG um nicht mehr als 15 % vorliegt und diese Überschreitung für den Leistungsempfänger unvorhersehbar war; der Leistungsbezieher ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen verpflichtet, wenn sich ohne sein Verschulden aufgrund des von der Abgabenbehörde an die GKK übermittelten Gesamtbetrags der maßgeblichen Einkünfte ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührt hat (§ 39 KGG iVm § 31 Abs 2 zweiter Satz KBGG)


Schlagworte: Kinderbetreuungsgeld, Zuverdienstgrenze, Rückzahlung, Härtefall, Unvorhersehbarkeit, Verschulden
Gesetze:

§ 31 KBGG, § 39 KBGG, § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung

GZ 10 ObS 31/11y, 29.03.2011

OGH: Da das maßgebliche Gesamteinkommen der Klägerin von 16.698,52 EUR, die zulässige Zuverdienstgrenze (14.600 EUR) um 2.098,52 EUR oder 14,37 % übersteigt, liegt eine "geringfügige" Überschreitung iSd § 1 lit a der KBGG-Härtefälle-Verordnung (BGBl II 2001/405 idF BGBl II 2004/91) vor.

Nach stRsp des OGH ist ein Härtefall iSd genannten Bestimmung aber nur gegeben, wenn eine bloß geringfügige Überschreitung der Grenzbeträge gem § 2 Abs 1 Z 3 und § 9 Abs 3 KBGG um nicht mehr als 15 % vorliegt und diese Überschreitung für den Leistungsempfänger unvorhersehbar war. Nur wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, ist vom Krankenversicherungsträger auf die Rückforderung zu verzichten.

Die beiden für das Bestehen eines Härtefalls erforderlichen Voraussetzungen stellen nämlich auf das Vorliegen unterschiedlicher Kriterien ab: einerseits auf die objektive Höhe der Überschreitung der Grenzbeträge und andererseits auf die subjektive Vorhersehbarkeit bzw Unvorhersehbarkeit der Überschreitung der Grenzbeträge für den Leistungsempfänger. Die Ansicht der Klägerin, jede nur geringfügige (objektive) Überschreitung der Grenzbeträge sei auch (subjektiv) für den Leistungsbezieher nicht vorhersehbar gewesen, trifft daher, wie auch der vorliegende Fall zeigt, nicht zu.

Das Kriterium der "Unvorhersehbarkeit" ist nach der Rsp des OGH dann erfüllt, wenn die Überschreitung der Zuverdienstgrenze trotz Anlegung eines zumutbaren Sorgfaltsmaßstabs nicht erkannt werden konnte; wobei den Leistungsbezieher eine Überprüfungspflicht hinsichtlich der Höhe der zu erwartenden Einkünfte trifft und die Fragen der Unvorhersehbarkeit der Überschreitung bzw des zumutbaren Sorgfaltsmaßstabs jeweils nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden können. Diesbezügliche Leitlinien hat der OGH bereits in den Entscheidungen 10 ObS 63/09a und 10 Ob 143/09s (betreffend Supplierstunden, die von der dort klagenden Lehrerin jedoch [offenbar anders als hier] gehalten werden mussten) vorgegeben.

Die Klägerin bringt vor, dass deshalb eine Unvorhersehbarkeit der Überschreitung der Zuverdienstgrenze vorliege, weil durch eine Auskunft der Beklagten für die Klägerin der unrichtige Eindruck entstanden sei, dass beim Bezug von Karenzgeld keine Zuverdienstgrenzen zu beachten seien.

Das Kriterium der "Unvorhersehbarkeit" wird damit gar nicht angesprochen. Geltend gemacht wird vielmehr der Umstand, dass die Überschreitung der Zuverdienstgrenze von der Klägerin deshalb nicht verschuldet worden sei, weil sie sich auf eine unrichtige Auskunft der Beklagten verlassen habe, dass beim Bezug von Karenzgeld gar keine Zuverdienstgrenzen zu beachten seien. Das Klagevorbringen ist inhaltlich also lediglich auf mangelndes Verschulden gerichtet, weil - wie die Revisionswerberin meint - auch dieser Umstand das Kriterium der Unvorhersehbarkeit ihrer Überschreitung begründe.

Dabei wird übersehen, dass die Klägerin auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen verpflichtet ist, wenn sich ohne ihr Verschulden aufgrund des von der Abgabenbehörde an die GKK übermittelten Gesamtbetrags der maßgeblichen Einkünfte ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührt hat (§ 39 KGG iVm § 31 Abs 2 zweiter Satz KBGG), wobei gegen diese verschuldensunabhängige Rückzahlungsverpflichtung auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

Die Überschreitung der Zuverdienstgrenze durch eine von der Klägerin selbst begehrte Auszahlung eines Entgelts war demnach für sie auch dann nicht "unvorhersehbar", wenn sie sich dabei auf eine (grundsätzlich zutreffende, aber offenbar missverstandene) Auskunft der Beklagten verlassen hat, dass eine Teilzeitbeschäftigung dem Kinderbetreuungsgeld oder erweitertem Karenzgeldbezug nicht schade; also selbst dann, wenn für sie der unrichtige Eindruck entstanden sein sollte, dass beim Bezug von Karenzgeld keine Zuverdienstgrenzen zu beachten seien.