19.05.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zum Verhältnis zwischen § 6 APSG und § 3a Abs 1 IESG - hemmt der Präsenzdienst des Arbeitnehmers gem § 6 Abs 1 Z 1 APSG den Fortlauf der Frist zur Geltendmachung von Insolvenz-Entgelt?

Die durch § 6 Abs 1 Z 1 APSG bewirkte Fortlaufhemmung der Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis hat auch im Anwendungsbereich des § 3a Abs 1 Satz 2 IESG zu gelten


Schlagworte: Insolvenzentgeltsicherung, Arbeitsplatzsicherung, Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses, Präsenzdienst, Fristenhemmung
Gesetze:

§ 3a Abs 1 IESG, § 6 APSG

GZ 8 ObS 7/10b, 26.04.2011

Die Beklagte bringt vor, dass der Kläger erst am 5. 5. 2008 seine Ansprüche gerichtlich gegen den Arbeitgeber geltend gemacht habe, sodass jene Entgeltbestandteile, die mehr als 6 Monate davor bereits fällig geworden seien, gem § 3a IESG nicht mehr gesichert seien. Daran ändere die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses durch den Präsenzdienst nichts. § 6 Abs 1 Z 1 APSG habe nur bei der Prüfung von Ansprüchen gegen den Arbeitgeber Bedeutung. Diese Bestimmung könne jedoch keinen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Insolvenz-Entgelt schaffen, der wegen § 3a Abs 1 Satz 1 IESG bereits verfristet sei. § 3a Abs 1 Satz 2 IESG sei daher als Ausnahmebestimmung einschränkend auszulegen.

OGH: § 3a Abs 1 Satz 2 IESG ordnet ausdrücklich an, dass die in § 3a Abs 1 Satz 1 IESG normierte Frist von 6 Monaten nicht gilt, soweit Ansprüche auf Entgelt binnen 6 Monaten nach ihrem Entstehen gerichtlich geltend gemacht werden. Gerade eine gesetzliche Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsvertrag wie diese ist jedoch durch § 6 Abs 1 Z 1 APSG in ihrem Fortlauf gehemmt. Träfe die Rechtsansicht der Beklagten zu, hätte dies zur Folge, dass Präsenz-(Ausbildungs-, Zivil-)diener zur Wahrung eines allfälligen Anspruchs auf Insolvenz-Entgelt entgegen der ihren Schutz anordnenden Bestimmung des § 6 Abs 1 Z 1 APSG gezwungen wären, Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von 6 Monaten nach ihrem Entstehen gerichtlich geltend zu machen, um ihre Ansprüche nach dem IESG zu wahren. Dass der von § 6 Abs 1 Z 1 APSG angeordnete besondere Schutz von Präsenz-(Ausbildungs-, Zivil-)dienern durch § 3a Abs 1 IESG eingeschränkt werden sollte, ergibt sich gerade nicht aus dem IESG. Im Gegenteil erfahren gerade dem APSG unterliegende Arbeitnehmer etwa in den Fällen des § 3c IESG eine ihre Sonderstellung berücksichtigende Behandlung.

Auch ausgehend vom Gesetzeszweck des § 3a Abs 1 IESG, nämlich die Zurückdrängung missbräuchlicher Inanspruchnahme des Insolvenz-Entgelt-Fonds, ist die von der Beklagten geforderte Auslegung des § 3a Abs 1 Satz 2 IESG im konkreten Zusammenhang nicht geboten: denn gerade in den in § 6 Abs 1 Z 1 APSG geregelten Fällen ist ein Missbrauchsfall iSe unzulässigen Zuwartens mit der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen nicht gegeben.