04.08.2006 Strafrecht

OGH: Bei jugendlichen Beschuldigten hat das Strafgericht vorweg Erhebungen zu führen, ob es einen bekannten inländischen Aufenthaltsort des gesetzlichen Vertreters des Minderjährigen gibt


Schlagworte: Jugendstrafrecht, Vertretung, Aufenthalt
Gesetze:

§§ 38, 39 JGG

In seinem Erkenntnis vom 18.05.2006 zur GZ 15 Ob 34/06y hatte sich der OGH mit der Vertretung im Jugendstrafrecht auseinanderzusetzen:

Der jugendliche Dima M***** wurde des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB schuldig erkannt. Beim Beschuldigten handelte es sich um einen Asylwerber russischer Staatsangehörigkeit, von dessen Eltern lediglich die Vornamen bekannt waren. Ermittlungen nach dem - allenfalls im Inland befindlichen - Aufenthalt der Eltern wurden nach der Aktenlage nicht geführt. Der jugendliche Beschuldigte war im Verfahren weder anwaltlich vertreten noch hat ein gesetzlicher Vertreter am Verfahren mitgewirkt.

Dazu der OGH: Der gesetzliche Vertreter eines jugendlichen Beschuldigten ist nach Maßgabe des § 38 JGG zur Mitwirkung am Strafverfahren berechtigt. Gemäß § 38 Abs 2 JGG sind dem Erziehungsberechtigten ua der Strafantrag und das Urteil zuzustellen und er ist von der Anordnung einer mündlichen Verhandlung mit dem Beifügen zu benachrichtigen, dass seine Teilnahme empfohlen werde. Der gesetzliche Vertreter hat auch das eigenständige Recht zur Anfechtung des Urteils (§ 38 Abs 3 JGG). Um diese Rechtsmittelbefugnis überhaupt ausüben zu können, ist eine Bekanntmachung des Urteils an den gesetzlichen Vertreter erforderlich. All dies gilt nach § 38 Abs 2 erster Satz letzter Halbsatz JGG aber nur dann, wenn der Aufenthalt des gesetzlichen Vertreters bekannt und im Inland gelegen ist. Kann dem Jugendlichen jedoch im Strafverfahren kein gesetzlicher Vertreter beistehen, so gehen gemäß § 38 Abs 5 Z 1 letzter Halbsatz JGG dessen Rechte auf den - diesfalls auch im bezirksgerichtlichen Verfahren gemäß § 39 Abs 1 Z 2 JGG von Amts wegen beizugebenden - Verteidiger über. Die Einschränkung des § 38 Abs 2 erster Satz letzter Halbsatz JGG enthebt das Strafgericht freilich nicht von der Verpflichtung, auch bei jugendlichen Beschuldigten ohne österreichische Staatsbürgerschaft vorweg Erhebungen (etwa im Wege der Sicherheitsbehörde) zu führen, ob es einen bekannten inländischen Aufenthaltsort des gesetzlichen Vertreters des Minderjährigen gibt.