08.09.2006 Strafrecht

OGH: Für den Fall der Verwirklichung einer Straftat durch mehrere Jugendliche mit gewöhnlichen Aufenthalten in Sprengeln verschiedener Gerichte sind die Konnexitätsregeln der §§ 55 ff StPO anzuwenden


Schlagworte: Strafprozessrecht, mehrere beteiligte Jugendliche, Aufenthalt, Zuständigkeit
Gesetze:

§ 29 JGG, § 31 JGG, §§ 55 ff StPO

In seinem Beschluss vom 20.06.2006 zur GZ 11 Os 44/06i hat sich der OGH mit der Zuständigkeit bei mehreren beteiligten Jugendlichen mit unterschiedlichem Aufenthalt befasst:

Gegen die Jugendlichen Marco S***** (gewöhnlicher Aufenthalt in Wien) und seine Brüder Alban G***** und Ardian G***** (gewöhnlicher Aufenthalt in Baden) wurde vom Landesgericht Korneuburg die Voruntersuchung "wegen §§ 127 ff, und 136 StGB" eingeleitet. In der Folge verfügte der Untersuchungsrichter unter Hinweis auf den gewöhnlichen Aufenthalt Marco S*****s in Wien die Abtretung des Strafverfahrens gegen alle Beschuldigten gemäß § 29 JGG an das Landesgericht für Strafsachen Wien. Nachdem die Zuständigkeitsfrage strittig war, ordnete das Oberlandesgericht Wien die Weiterführung des Verfahrens durch das Landesgericht für Strafsachen Wien an. Im Hinblick darauf wies es das Landesgericht für Strafsachen in der Beschlussbegründung darauf hin, "zu beachten, dass gemäß § 29 JGG für das Verfahren gegen die Brüder G***** die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichtes Wiener Neustadt gegeben ist"; zufolge Vorranges der speziellen Normen des JGG sei gegenständlich auch "§ 58 StPO nicht anwendbar und eine Ausscheidung des Verfahrens gegen Alban und Ardian G***** und Abtretung desselben auch zwischen dem Landesgericht für Strafsachen Wien und dem Landesgericht Wiener Neustadt als demselben Gerichtshof zweiter Instanz unterstehenden Gerichtshöfen zulässig".

Dazu der OGH: Gemäß § 29 JGG ist für Jugendstrafsachen jenes Gericht örtlich zuständig, in dessen Sprengel der Beschuldigte zur Zeit der Einleitung des Verfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Eine Regelung für den Fall der Verwirklichung einer Straftat durch mehrere Jugendliche mit gewöhnlichen Aufenthalten in Sprengeln verschiedener Gerichte findet sich im JGG nicht. Gemäß § 31 JGG sind in einem solchen Fall die allgemeinen Vorschriften für das Strafverfahren heranzuziehen und demzufolge die Konnexitätsregeln der §§ 55 ff StPO anzuwenden. Ausgehend von den jeweils eine Sonderzuständigkeit gemäß § 29 JGG begründenden Tatsachenfeststellungen des gewöhnlichen Aufenthaltes der Brüder G***** bei ihrer Mutter in Baden sowie des Marco S***** bei seinen Eltern in Wien wäre das Strafverfahren gegen alle Beschuldigten gemeinsam (§ 56 Abs 1 StPO) vor dem gegenüber dem Landesgericht Wiener Neustadt zuvorgekommenen (§ 56 Abs 2 StPO) Landesgericht für Strafsachen Wien durchzuführen gewesen.